Reich Gottes heute

Anfang 2014 gründete sich in unserer Initiative eine Arbeitsgruppe. Ihr Ziel war es, die Jesus-Botschaft vom schon gegenwärtigen Reich Gottes einmal ganz ohne christliche oder irgendwie theologische Bezüge darzustellen – und das in einfachen und kurzen Worten. Menschen mit christlichem Hintergrund werden das für entbehrlich oder zumindest für zu wenig halten. Für diese ist der Text allerdings auch nicht gedacht; in einer Reihe von Schriften der Initiative (z.B. den sog. Konsenspapieren) finden sich ausreichend Erklärungen aus solchem Blickwinkel. Wir haben aber keine Erklärung für jene, die sich längst und vollständig aus dem christlichen Diskurs verabschiedet haben und denen Begriffe wie etwa „historischer Jesus“ gar nicht bekannt sind – folglich auch nicht der Unterschied zum geläufigen Christus-Bild. All jene können wir mit unserer bisherigen Argumentation nicht erreichen.

Doch die Reich-Gottes-Botschaft ist eine Botschaft für alle Menschen. Hängt ihre Vermittlung denn wirklich von christlichem Vorverständnis ab? Oder enthält diese Botschaft nicht vielmehr einen Kern, der unter allen (z.B. auch atheistischen!) Glaubensauffassungen gleichermaßen gilt und insofern besonders zentral und beachtenswert ist? Der nachfolgende kurze Text versucht (als eine der denkbaren Formulierungsmöglichkeiten), diesen Kern darzustellen:

Es ist nur wenig von Jesus überliefert, was wir als historisch gesichert ansehen können. Dieses Wenige zeigt aber schlüssig, wie er die Welt verstanden hat: Sie ist in ihrer einzigartigen Schönheit so angelegt, dass alle genug haben und ein gutes Leben führen können. Wir brauchen nicht auf irgendeine Vollendung in ferner Zukunft zu warten.

Das Gute dieser Welt beruht auf der Verbundenheit allen Lebens. Wir sind Teil davon: mitten drin. Wir stehen nicht über anderen Lebewesen, sondern auf gleicher Ebene mit ihnen. Was wir nicht erleiden wollen, wollen auch unsere Mit-Wesen nicht erleiden. Wenn wir ihnen schaden, schaden wir mittelbar auch uns. Diese Binsenweisheit haben wir Menschen fortgesetzt missachtet und tun es noch immer. In unserer global vernetzten Welt mit ihrer hoch entwickelten Wissenschaft ist das offensichtlicher und bedrohlicher als je zuvor. So sind die damaligen Auffassungen des Jesus von Nazaret, die er in seinen Worten vom Reich Gottes beschrieben hat, heute im Grunde aktueller denn je.

Wir müssen umdenken. Dazu müssen wir in den Gesamtzusammenhang der Welt hinein finden und von dort her handeln, anstatt uns über die Welt zu erheben. Wir wollen

  • das Welt-Ganze staunend und voller Achtung wahrnehmen,
  • unser Leben und das, was uns leben lässt, dankbar genießen und uns daran freuen,
  • der Gewalt gegen Menschen, Tiere, Pflanzen und die Erde insgesamt widerstehen, ohne selbst gewalttätig zu werden,
  • strukturelle Gewalt überwinden, die durch die Herrschaft von Menschen über Menschen aufgerichtet wird,
  • einander zugewandt und solidarisch zusammenarbeiten,
  • uns der Vorstellung verweigern, dass allein Geld die Welt regiert,
  • prüfen, ob wir tatsächlich brauchen, was wir besitzen oder wollen,
  • alles weiterreichen, was wir nicht mehr brauchen,
  • sorgsam und verantwortlich mit unserer Zeit umgehen, unseren materiellen Möglichkeiten, unserer Kraft und allem anderen, was uns zur Verfügung steht.

Solche Leitlinien ergeben sich wie von selbst, sobald wir unsere Verbundenheit mit der Welt in uns spüren. Nicht mehr und nicht weniger hat Jesus damals wohl sagen wollen.

 

Aus dem aktuellen Rundbrief.


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