Die Jesusworte
Die Jesusworte („The Basement Tapes“)
„Kein Schade geschieht den heiligen Schriften, so wenig als jeder anderen Überlieferung, wenn wir sie mit kritischem Sinne behandeln, wenn wir aufdecken, worin sie sich widerspricht und wie oft das Ursprüngliche, Bessere, durch nachherige Zusätze, Einschaltungen und Accommodationen verdeckt, ja entstellt worden. Der innerliche, eigentliche Ur- und Grundwert geht nur desto lebhafter und reiner hervor…“ (Johann Wolfgang von Goethe, WA I,7.S.181f.)
In den Evangelien des Neuen Testaments finden sich Jesus zugeschriebene Worte, die sich in markanter Weise von dem unterscheiden, ja sogar dem widersprechen, was man das „Kerygma“, die „Heilsbotschaft“ des Neuen Testaments (nämlich das Evangelium von Kreuz und Auferstehung, von Jesus als dem Gottessohn und Erlöser, von der Wiederkunft Christi bzw. der kommenden Gottesherrschaft am Ende der Tage) genannt hat. All diese Worte sprechen, zum Teil explizit und besonders betont, vom Heute, von der Gegenwart; und sie handeln nicht von Jesus als dem Botschafter, sondern von seiner Botschaft, für die der Terminus „Reich Gottes“ charakteristisch ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehen sie tatsächlich auf Jesus von Nazaret zurück, bilden mithin das Urgestein der neutestamentlichen Überlieferung.
Die Reihenfolge, in der die Jesusworte aufgeführt werden, ist rein formaler Natur:
An erster Stelle stehen Traditionen im Markusevangelium, des ältesten schriftlich erhaltenen neutestamentlichen Evangeliums. Sowohl der Verfasser des Matthäus- als auch des Lukasevangeliums haben bei der Komposition ihres jeweiligen Evangeliums auf Texte des Markusevangeliums zurückgegriffen.
An zweiter Stelle stehen die Traditionen der sogenannten Logienquelle, ein nicht mehr erhaltenes Evangelium, das die Verfasser des Matthäus- und des Lukasevangeliums ebenfalls gekannt haben müssen. Beide Evangelien enthalten nämlich über die Texte hinaus, die sich auch bei Markus finden, Überlieferungen, die dort fehlen, aber sowohl bei Matthäus als auch bei Lukas vorkommen und deshalb wohl aus derselben Quelle stammen (es sind so gut wie ausschließlich Worte Jesu, keine Erzählungen über ihn, daher die Bezeichnung Logien- oder Spruchquelle).
Schließlich werden die Jesustraditionen des sogenannten Sonderguts des Matthäus und des sogenannten Sonderguts des Lukas aufgeführt. Dies sind Texte, die ausschließlich vom Matthäus- bzw. ausschließlich vom Lukasevangelium überliefert werden.
(Ein Klick auf die Bibelstelle unter dem jeweiligen Text führt zu den Erläuterungen.)
„Wer Hochzeit feiert, der kann doch nicht fasten.“
Markus 2,19a
„Niemand näht einen Flicken von neuem Stoff auf ein altes Gewand.
Sonst reißt das Füllstück von ihm ab,
und der Riss wird schlimmer.
Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche.
Sonst zerreißt der Wein die Schläuche,
und der Wein geht verloren mitsamt den Schläuchen.“
Markus 2,21-22 (ohne verstärkenden Zusatz)
„Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht worden
und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“
Markus 2,27
„Siehe, ein Sämann ging aus, um zu säen.
Beim Säen geschah Folgendes:
Einiges fiel auf den Weg;
und es kamen die Vögel
und fraßen es auf.
Anderes fiel auf Steine;
und als die Sonne aufging,
wurde es versengt.
Wieder anderes fiel unter Dornpflanzen;
und die Dornpflanzen wuchsen auf
und erstickten es.
Alles Übrige aber fällt auf guten Boden;
und es bringt Frucht,
nachdem es aufgegangen und gewachsen ist,
und trägt dreißigfach.“
Markus 4,3-8 (ohne nachträgliche Erweiterungen)
„Mit dem Reich Gottes verhält es sich so,
wie wenn ein Mensch Samen auf die Erde gestreut hat,
und er schläft ein und er erwacht, Nacht und Tag,
und der Same sprosst und wird groß –
er weiß selbst nicht, wie.
Von selbst bringt die Erde Frucht:
zuerst den Halm,
dann die Ähre,
schließlich das voll ausgereifte Korn in der Ähre.“
Markus 4,26-28
„Womit könnte man das Reich Gottes vergleichen
oder in welchem Gleichnis könnte man es darstellen?
Es ist wie ein Senfkorn,
das, wenn es auf die Erde gesät wird,
kleiner ist als alle Samenkörner auf Erden,
und, wenn es gesät ist, aufgeht
und größer wird als alle Gartengewächse
und große Zweige treibt,
sodass unter seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.“
„Wem gleicht das Reich Gottes,
und womit soll ich es vergleichen?
Es gleicht einem Senfkorn,
das ein Mensch nahm und in seinen Garten warf.
Und es wuchs
und wurde zu einem Baum,
und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen.“
Markus 4,30-32; Matthäus 13,31f. / Lukas 13,18f.
„…solcher [der Kinder] ist das Reich Gottes.
Amen, ich sage euch:
Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind,
der kommt nicht hinein.“
Markus 10,14b-15
„Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr,
als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.“
Markus 10,25
„Wer unter euch groß sein will, soll euer Diener sein,
und wer unter euch Erster sein will, soll der Knecht aller sein.“
Markus 10,43b-44
„Selig sind die, die nicht mehr besitzen, als sie wirlich brauchen;
ihrer ist das Reich Gottes.“
Matthäus 5,3 / Lukas 6,20b
„Dem, der dich auf die Wange schlägt, halte auch die andere hin!“
Matthäus 5,39b / Lukas 6,29a
„Lass die Toten ihre Toten begraben –
du aber mach das Reich Gottes bekannt!“
Matthäus 8,22 / Lukas 9,60
„Das Gesetz und die Propheten: bis Johannes.
Von da an bricht sich das Reich Gottes mit Gewalt Bahn (?) …“
Matthäus 11,12f. / Lukas 16,16
„Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe,
dann hat euch doch das Reich Gottes erreicht.“
Matthäus 12,28 / Lukas 11,20
„Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Sauerteig, den eine Frau nahm und in drei Sat Weizenmehl mengte, bis er das Ganze durchsäuert hatte.“
Matthäus 13,33 / Lukas 13,21
„Ein Mensch veranstaltete ein großes Festmahl, lud viele dazu ein und schickte, als das Fest beginnen sollte, seinen Diener aus, um den Eingeladenen zu sagen: ‚Kommt, denn es ist schon bereit!‘
Da fingen alle ohne Ausnahme an sich zu entschuldigen.
Der Erste sagte zu ihm:
‚Ich habe einen Acker gekauft
und muss ihn unbedingt besichtigen gehen.
Ich bitte dich: Betrachte mich als entschuldigt.‘
Der Nächste sagte:
‚Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft
und bin gerade auf dem Weg, um sie mir genauer anzusehen.
Ich bitte dich: Betrachte mich als entschuldigt.‘
Der Dritte sagte: ‚Ich habe geheiratet
und kann deshalb nicht kommen.‘
Der Diener kehrte zurück und berichtete seinem Herrn davon.
Da wurde der Hausherr zornig und sagte zu seinem Diener: ‚Geh schnell hinaus auf die Plätze und Straßen der Stadt und führ die Armen herein!‘“
(Matthäus 22,1-9) / Lukas 14,16-21a
„Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker verborgen war. Ein Mensch fand ihn und verbarg ihn wieder. Und in seiner Freude geht er hin, verkauft alles, was er besitzt, und kauft jenen Acker.“
Matthäus 13,44
„Mit dem Reich Gottes verhält es sich so:
Ein Gutsbesitzer ging gleich am frühen Morgen hinaus, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Nachdem er mit den Arbeitern um einen Tageslohn von einem Denar übereingekommen war, schickte er sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder hinaus und sah andere auf dem Marktplatz stehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: ‚Geht auch ihr in den Weinberg. Ich werde euch geben, was recht ist.‘ Und sie gingen hin. Um die sechste und um die neunte Stunde ging er nochmals hinaus und tat genauso. Als er um die elfte Stunde hinausging, fand er andere dastehen und sagte zu ihnen: ‚Was steht ihr hier den ganzen Tag ohne Arbeit?‘ Sie antworteten ihm: ‚Weil uns niemand angeworben hat.‘ Da sagte er zu ihnen: ‚Geht auch ihr in den Weinberg.‘
Als es Abend geworden war, sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter: ‚Rufe die Arbeiter und zahle ihnen ihren Lohn aus. Beginne bei den Letzten bis zu den Ersten.‘ Da kamen die, die um die elfte Stunde eingestellt worden waren, und erhielten jeweils einen Denar. Als dann die Ersten kamen, meinten sie, dass sie mehr erhalten würden. Aber auch sie erhielten jeweils einen Denar. Als sie ihn erhielten, empörten sie sich über den Gutsbesitzer und sagten: ‚Diese Letzten haben eine einzige Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgemacht, die wir die Last des Tages und die Hitze ertragen haben.‘ Er aber antwortete einem von ihnen: ‚Mein Freund, ich tue dir kein Unrecht. Bist du nicht um einen Denar mit mir übereingekommen? So nimm das Deine und geh. Ich will diesem Letzten dasselbe geben wie dir.‘“
Matthäus 20,1-14
„Seine Hand an den Pflug legen und zurückblicken, dass passt nicht zum Reich Gottes.“
Lukas 9,62
„Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“
Lukas 10,18
„Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte;
man wird auch nicht sagen: siehe, hier! oder: dort!
Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“
Lukas 17,20b-21
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