Reich Gottes und „das Böse“

Ökumenische Initiative Reich Gottes – jetzt!

Diskussionspapier, Stand Februar 2010
Vorgelegt von: G. Breidenstein, C. Petersen, M. Pfisterer, V. Schäfer, H. Schröder, K. Simon, W. Sternstein

Wer an die Gegenwart des Reiches Gottes glaubt, sieht sich rasch dem Einwand gegenüber, der Zustand unserer Erde strafe diesen Glauben Lügen. In dieser Welt das Reich Gottes zu erblicken sei illusionär, schwärmerisch und unrealistisch. Zweitausend Jahre paulinisch geprägtes Christentum haben ein Bild hinterlassen, das unsere Erde mit einem Jammertal verwechselt. Das ist eine sehr einseitige Sicht. Immerhin gibt es Gutes in der Welt und wohl weit mehr, als uns die täglichen Nachrichten glauben machen.

Doch Katastrophen und unvorstellbares Elend gibt es leider auch. Insofern müssen wir uns die Frage stellen, weshalb überhaupt Nicht-Reich-Gottes-Gemäßes in der Welt vorkommt, wenn das Reich Gottes doch mitten unter uns ist. Vereitelt etwa „das Böse“ die Gegenwart des Reiches Gottes? Bis ins Mittelalter hinein galt „das Böse“ als eine ontologische Kategorie (als eine Erscheinung mit eigenständigem Sein). Unter heutigem Wissen ist es nicht mehr plausibel, sich „das Böse“ als eine ominöse Macht vorzustellen. Wir Menschen sind zwar mit Übeln konfrontiert, doch die haben überwiegend erkennbare Ursachen.

Naturbedingte Vorgänge, die Schmerz, Krankheit und Tod verursachen, sind nicht Ausdruck „des Bösen“, sondern Aspekte des Werdens und Vergehens – auch wenn sie tiefes persönliches Leid verursachen. Insofern können wir ‚Reich Gottes’ nicht völlig leidfrei denken. Aber nicht jeder Schmerz, jede Krankheit und jeder zu frühe Tod sind unvermeidlich. Es bleibt unsere Aufgabe, Leid zu mindern – unter anderem durch Medizin und Technik.

Durch Ungerechtigkeit und Gewalt verursachte Übel sind ebenfalls kein Ausdruck „des Bösen“, sondern das Ergebnis eines menschlichen Verhaltens, welches blind ist gegenüber dem Reich-Gottes-Charakter der Welt. Das aber können wir ändern. Wir verfügen über ein Entwicklungspotenzial in uns: über die Möglichkeit von mehr Zuneigung und Verständnis. Für das Individuum erscheint dies manchmal schwer durchschaubar. Man kann in bester Absicht handeln, und dennoch kommen Übel dabei heraus. Obendrein fällt es schwer, die Wucht der Krisen als Ergebnis milliardenfachen Einzel-Verhaltens zu begreifen. Betrachten wir jedoch die Gesellschaft als Ganzes, so zeigt sich in aller Klarheit: Unsolidarisches Menschen-Verhalten ist die Ursache aller Ungerechtigkeit und Gewalt. Die daraus erwachsende Gefährdung stellt uns heute längst vor existentielle Probleme. Wir müssen umdenken! Und so geht es in den überlieferten Jesusworten vor allem darum, die Gegenwart des Reiches Gottes zu erkennen und ihr durch unser Handeln zu entsprechen.

Die Übel in der Welt laufen dem Glauben an die Präsenz des Reiches Gottes nicht zuwider. Vielmehr gibt uns gerade dieser Glaube die Möglichkeit der Überwindung oder Minderung von Übeln an die Hand: Wir können die Ursachen gesellschaftlicher Krisen vermeiden und das Leid natürlicher Übel mindern, indem wir uns solidarisch verhalten – dies ist die klare Konsequenz der Reich-Gottes-Botschaft.


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