Zum 25.1.2009

Bolivien gibt sich eine neue Verfassung, in die auch das Konzept des „Buen vivir“ als suma qamaña Eingang findet (1. Teil, Titel I, Zweites Kapitel, Artikel 8).

Die Regierung von Evo Morales – mit Evo Morales ist zum ersten Mal in der Geschichte Boliviens ein Vertreter der indigenen Völker zum Präsidenten gewählt worden (Morales war vom 22. Januar 2006 bis zu seinem erzwungenen Rücktritt am 10. November 2019 Präsident Boliviens) – benennt 10 Punkte zur Rettung von »MUTTER ERDE« und »VIVIR BIEN«:

1. Schluss machen mit dem Kapitalismus
Wollen wir die Mutter Erde, das Leben und die Menschheit bewahren sind wir in der Pflicht mit dem Kapitalismus Schluss zu machen. Mit dem Kapitalismus als ein System ohne Menschlichkeit, seiner unbegrenzten industriellen Entwicklung, Egoismus, Individualismus, dem ewigen Hunger nach Gewinn, Verschwendung und extremen Luxus. Es muss uns gelingen, dass der Norden die ökologischen Schulden bezahlt und der Süden nicht zum ewigen Schuldenzahler wird.

2. Kein Krieg mehr
Weil die Sieger von Krieg die Imperien, Waffenhändler und der Tod sind, nicht die Nationen oder Völker, sondern die multinationalen Unternehmen. Die Abrüstung muss endlich beginnen. Das Geld, das einige Länder für Kriege ausgeben, sollten zur Schadensbehebung an der Mutter Erde benutzt werden.

3. Für eine Welt ohne Imperialismus und Kolonialismus
Es gilt eine Kultur des Dialoges und friedlichen Zusammenlebens zu fördern, in denen bi- und multilateralen Beziehungen nicht von Abhängigkeit und Unterordnung geprägt sind, kein Interventionismus, keine Arroganz und kein Autoritarismus einiger weniger Länder über andere, sondern Orientierung am Prinzip der Komplementarität.

4. Wasser als Grundrecht für alle Lebensformen
Wasser als Menschenrecht, weil Wasser Leben bedeutet für alle Lebensformen. Wasser darf nicht privatisiert werden.

5. Saubere und umweltfreundliche Energiequellen
Gewinnung sauberer und naturfreundlicher Energie und Schluss mit der Energieverschwendung. In 100 Jahren gehen die fossilen Brennstoffe zu Ende, die in Millionen von Jahren entstanden sind.

6. Respekt gegenüber der Mutter Erde
Als Geberin allen Lebens auf dem Planeten ist der Respekt der Rechte der Mutter Erde grundlegend.

7. Die Grundversorgung ist ein Menschenrecht
Grundversorgung wie Zugang zu Wasser, Strom, Bildung, Gesundheit, Kommunikation und Transport dürfen kein Privatgeschäft sein, sondern sind eine öffentliche Dienstleistung. Festgelegt ist das im Artikel 20 der neuen Verfassung des plurinationalen Staates Bolivien.

8. Nur das Notwendige und lokale Produkte konsumieren
Schluss mit Konsumismus, Verschwendung und Luxus. Es darf nicht sein, dass einige nicht wissen was sie mit so viel Geld machen sollen, während gleichzeitig viele Millionen Menschen an Hunger sterben. Es ist darum wichtig, dass wir auf lokaler Ebene produzieren und diese Produkte konsumieren.

9. Achtung der Vielfalt von Wirtschaft und Kultur
Die Vielfalt von Kultur und Wirtschaft muss gefördert werden. Die Integration aller Menschen bei gleichzeitigem Respekt vor der Verschiedenartigkeit ist das Ziel des plurinationalen Staates von Bolivien Das plurale Wirtschaftsmodell anerkennt verschiedene Formen: staatliche, private, kommunitäre, genossenschaftliche und gemischte Wirtschaft. So steht das im Artikel 306 der Verfassung des plurinationalen Staates Bolivien.

10. »Vivir Bien« in Harmonie mit der Mutter Erde
„Gut Leben“ heißt also nicht etwa besser leben auf Kosten der Anderen, sondern meint den Aufbau eines Lebens, das an der Gemeinschaft orientiert ist und in Harmonie mit der Natur.

 

Am 20. Oktober 2008 trat in Ecuador eine neue Verfassung in Kraft, die sich auf die in der indigenen Kultur begründeten Leitbilder Pachamama („Mutter Erde“) und Sumak kawsay („gutes Leben“, spanisch „buen vivir“) beruft.


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