Bodendegradation, Desertifikation: Information
INFORMATION
Nur 29 Prozent der Erdoberfläche sind nicht von Wasser bedeckt. Diese Landflächen sind buchstäblich die Grundlage unserer Existenz. Gesunde Böden bringen Nahrung hervor und bieten zahlreichen Arten Lebensraum. Doch bereits 40 Prozent sind durch menschliche Übernutzung verödet. Wir verlieren jährlich weltweit über zehn Millionen Hektar guten Bodens. Er wird zubetoniert, mit Chemie behandelt, achtlos bewirtschaftet.
Man bezeichnet die Verschlechterung der Ökosystemdienstleistungen des Bodens als Bodendegradation [Degradation leitet sich ab aus dem lateinischen Wort degradare (= herabsetzen)] bis hin zur extremsten Form von Bodendegradation, der Desertifikation [vom lateinischen desertus (= wüst) und facere (= machen)], dem Entstehen unfruchtbarer, wortwörtlich wüster Landschaften.
Laut dem am 2. Dezember 2024 anlässlich der UNCCD COP16 in Riad veröffentlichten Wissenschaftlichen Bericht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in Zusammenarbeit mit der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) “Stepping back from the precipice: Transforming land management to stay within planetary boundaries“ (Weg vom Abgrund: Umgestaltung der Landbewirtschaftung zur Einhaltung der planetarischen Grenzen) zeigen nationale Berichte an die UNCCD, dass mindestens 1,2 Milliarden Menschen und eine Fläche von etwa 15 Millionen Quadratkilometer – fast so groß wie Russland, das größte Land der Erde – bereits von Landdegradation betroffen sind. Die betroffene globale Fläche vergrößert sich jedes Jahr um etwa eine Million Quadratkilometer.
„Böden weltweit haben bereits 50 bis 80 Prozent ihres Humusgehalts durch Ackerbau und Übernutzung verloren – und ohne Gegenmaßnahmen werden sie noch mehr verlieren.“ (Bodenatlas 2024, S. 11)
Die Erzeugung von drei Zentimetern für Landwirtschaft und Gartenbau geeigneten Bodens dauert 1000 Jahre, und wenn die derzeitigen Degradationsraten weitergehen, könnte der gesamte fruchtbare Mutterboden der Welt innerhalb von 60 Jahren verschwunden sein, sagte ein Vertreter der Welternährungsorganisation FAO am Welternährungstag, dem 16. Oktober 2017, in Rom. Wenn keine neuen Ansätze vorgenommen werden, wird der globale Umfang an Mutterboden und produktiver Fläche pro Person schon im Jahr 2050 nur ein Viertel des Umfangs von 1960 betragen, teilte die FAO mit.
Mehr als 250 Millionen Menschen sind direkt von Wüstenbildung betroffen. Zusätzlich ist der Lebensunterhalt von einer Milliarde Menschen gefährdet, die, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, von Land abhängig sind, und meist sind es die Ärmsten der Welt in mehr als einhundert Ländern. Nach Schätzungen der Experten der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) verschlingt die „Desertifikation“, wie Experten diesen schleichenden Prozess nennen, jedes Jahr etwa zwölf Millionen Hektar Grün in den Trockengebieten der Erde. Das entspricht der gesamten Ackerfläche Deutschlands. Rund 20 Millionen Tonnen Getreide hätte man auf diesem verlorenen Land anbauen können, hat die Organisation ausgerechnet. Den Menschen in den betroffenen Regionen entgehen durch die Zerstörung jedes Jahr geschätzte 42 Milliarden US-Dollar an Einkommen. Insgesamt sind nach UN-Angaben 3,6 Milliarden Hektar Land in 110 Ländern gefährdet – also etwa ein Viertel der gesamten Landoberfläche der Erde. 23 Hektar Wüste produziert der Mensch laut Angaben der UN pro Minute, oft durch eine falsche Bewirtschaftung. Allein im 20. Jahrhundert ging ein Drittel der globalen Landfläche infolge von Dürre und Versalzung verloren.
Das Sekretariat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) hat am 27. April 2022 den „Global Land Outlook 2“, die zweite Ausgabe ihres grundlegenden Berichts zur Situation der Böden vorgelegt. Danach sind rund 70 Prozent der Landfläche weltweit vom Menschen verändert worden und bereits etwa 40 Prozent geschädigt und daher nicht mehr so fruchtbar wie ursprünglich. Inzwischen sei bereits die Hälfte der Weltbevölkerung vom Problem der Landdegradierung betroffen, vor allem in Entwicklungsländern. Hauptursache für den schlechten Zustand der Böden seien nicht-nachhaltige Praktiken in der Landwirtschaft.
„Die Agrarindustrie ist ein wichtiger Verursacher der Bodendegradation. Mehr als 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gelten derzeit als geschädigt, wobei die Degradation mit der alarmierenden Geschwindigkeit von zwölf Millionen Hektar pro Jahr fortschreitet – das ist so viel wie etwa die gesamte Agrarfläche der Philippinen.“ (Konzernatlas. Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie, 2017, S. 33; Hervorhebung: C.P.)
Kein Land hat so heftig mit der Wüstenbildung zu kämpfen wie China. Mehr als ein Viertel des chinesischen Territoriums, gigantische 2,6 Millionen Quadratkilometer, sind bereits verwüstet oder kurz davor, zur Wüste zu werden. Mehr als 400 Millionen Menschen sind mittel- oder unmittelbar gefährdet. (Quelle: Felix Lee, Chinas Verwüstung, Le Monde diplomatique, September 2016)
Die Böden auf etwa 30 Prozent der Landfläche weltweit verschlechtern sich der am 11. Februar 2016 in Berlin vorgestellten Studie „Die weltweite Degradierung von Land und Böden. Die Kosten und Konsequenzen für nachhaltige Entwicklung“ des Zentrums für Entwicklungsforschung (ZFE) und des International Food Policy Research Institute (IFPRI) zufolge deutlich. Fruchtbarkeit und Produktivität verringerten sich demnach in den vergangenen 30 Jahren auf Weide- und Ackerland ebenso wie auf Waldflächen. Betroffen seien arme wie reiche Länder, insgesamt ein Lebensraum von 3,2 Milliarden Menschen.
Im Juli 2011 haben das Zentrum für Entwicklungsforschung und das International Food Policy Research Institute die Studie The Economics of Desertification, Land Degradation and Drought herausgegeben, die sich mit der Ausbreitung von Wüsten, der Bodenverschlechterung und der Dürre beschäftigt.
Europäische Union und Deutschland:
„In der Europäischen Union (EU) gelten mehr als 60 Prozent der Böden als geschädigt. Jährlich gehen in der EU bereits jetzt ungefähr eine Milliarde Tonnen Boden aufgrund von Erosion durch Wasser verloren.“ (Bodenatlas 2024, S. 40)
„In Deutschland wird Wüste oft mit Afrika oder Asien in Verbindung gebracht. Auf diese Regionen ist sie jedoch nicht beschränkt: Intensive Landwirtschaft und Klimakrise tragen dazu bei, dass Böden auch in Europa derart degradieren, dass man von Wüstenbildung spricht. (…) Dreizehn EU-Mitgliedstaaten, nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in Mittel- und Osteuropa, geben mittlerweile an, von Wüstenbildung betroffen zu sein. Insgesamt sind 23 Prozent des Gebiets der EU moderat und 8 Prozent hoch bis sehr hoch empfindlich gegenüber Wüstenbildung. Zu den betroffenen Ländern gehören unter anderem Ungarn, Bulgarien, Spanien und Italien. (…) Bislang wird in Deutschland Wüstenbildung gemeinhin nicht als Problem wahrgenommen. Jedoch sind auch hierzulande mindestens ein Fünftel der landwirtschaftlichen Flächen von sehr starker Bodenerosion betroffen.“ (Bodenatlas 2024, S. 16)
Literatur:
- Bodenatlas 2024, S. 14f.16f.
- Stepping back from the precipice: Transforming land management to stay within planetary boundaries (Weg vom Abgrund: Umgestaltung der Landbewirtschaftung zur Einhaltung der planetarischen Grenzen). Wissenschaftlicher Bericht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in Zusammenarbeit mit der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD), der anlässlich der UNCCD COP16 in Riad am 2.Dezember 2024 veröffentlicht wurde
- Am 2. Dezember 2024, zum Beginn der 16. Vertragsstaatenkonferenz zur Bekämpfung von Desertifikation in Riad, hat die UNO die bisher umfassendste globale Publikation zu Dürrerisiken und -lösungen veröffentlicht: den „World Drought Atlas“ (Welt-Dürre-Atlas“)
Film:
- „Der Waldmacher“. Dokumentarfilm von Volker Schlöndorff aus dem Jahr 2022 über den Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo