Wale – Gärtner der Meere
WALE, zu denen auch die einst heiligen Delphine und Tümmler gehören, sind uns, was ihre Intelligenz, ihr Welt- und Sozialverhalten, ihre Gesangskunst angeht, in fast allem überlegen. Mit Schallimpulsen orientieren sie sich unter Wasser und kommunizieren mit ihren Artgenossen. Die Tiere spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit der Ozeane und unseres globalen Klimas: Ein Wal bindet die gleiche Menge an Kohlenstoff wie Tausende von Bäumen. Mit ihren Ausscheidungen unterstützen sie das Wachstum von Phytoplankton, das CO2 bindet und Sauerstoff produziert.
Bartenwale, also praktisch alle großen Wale, darunter Blauwale, Finnwale und Buckelwale, nehmen, wie eine am 3. November 2021 im Fachblatt Nature veröffentlichte internationale Studie zeigt, wesentlich mehr Nahrung zu sich als bislang angenommen – teilweise sogar das Dreifache. Ein ausgewachsener Blauwal beispielsweise im östlichen Nordpazifik vertilgt während der Futtersaison 16 Tonnen Krill pro Tag. Mit ihren Fäkalien scheiden Bartenwale einen Teil der mit der Beute aufgenommenen Nährstoffe wieder aus, und zwar typischerweise nahe der Oberfläche. Insbesondere das ausgeschiedene Eisen – Schätzungen zufolge allein im Südpolarmeer derzeit 1200 Tonnen Eisen pro Jahr – düngt das zum großen Teil aus Kieselalgen bestehende Phytoplankton und damit die Basis der gesamten Nahrungskette im Meer. Der Phytoplankton-Reichtum wiederum kommt dem Krill zugute, der Hauptnahrung der Wale. Um 1900 allerdings, vor Beginn der industriellen Waljagd, fraßen die Bartenwale 430 Millionen Tonnen Krill pro Jahr. Das ist etwa das Doppelte jener Krillmenge, die der Ozean heutzutage enthält. Damals düngten diese Wale das Meer den Berechnungen zufolge mit 12.000 Tonnen Eisen pro Jahr, also mit dem Zehnfachen der heutigen Menge.
Belugawale sind majestätische und mystische Wesen. Sie sind makellos weiß, haben große Augen und scheinen stets zu lächeln, wenn sie in die Tiefe tauchen. Sie gleiten elegant durch die Wellen und schwimmen dabei oftmals in Gruppen nahe der Wasseroberfläche. In der Flussmündung des Sankt-Lorenz-Stroms in Kanada lebt die einzige sesshafte Beluga-Population der Welt – und die gilt als vom Aussterben bedroht.
Der Blauwal ist das größte und schwerste bekannte Tier, das jemals auf der Erde gelebt hat. Er wird bis zu 33 Metern lang und 200 Tonnen schwer – das sind über 40 Elefanten. Der Blauwal-Bestand rund um Südgeorgien, einer östlich von Argentinien gelegenen Insel im Südatlantik, war mit rund 240.000 Exemplaren bis zum Start des kommerziellen Walfangs dort Anfang des 20. Jahrhundert der größte weltweit. Jetzt hat sich der Bestand aber offenbar stark erholt.
Buckelwale sind berühmt für ihre wundervollen Gesänge. Sie singen so ausdauernd und vielfältig wie keine andere Walart. Die Melodien sind erkennbar aufgebaut und werden exakt wiederholt, sodass sie durchaus mit menschlichen Liedern vergleichbar sind. Die Tiere leben oft in Küstennähe und werden bis zu 15 Meter lang, einzelne Exemplare werden sogar noch größer. Sie sind zwischen 25 und 40 Tonnen schwer und werden rund 50 Jahre alt. Die Meeressäuger ernähren sich von kleinen Schwarmfischen, auf der Südhalbkugel auch von Krill. Sie fressen davon bis zu 1,4 Tonnen am Tag. – Neun der insgesamt 14 Buckelwal-Populationen sind nach Erkenntnissen der US-Umweltbehörde NOAA nicht mehr vom Aussterben bedroht. Im Pazifik, vor Westafrika, nahe Grönland sowie der Arabischen Halbinsel gebe es jedoch noch vier vom Aussterben bedrohte und eine gefährdete Population, teilte die NOAA im September 2016 mit. Wie eine internationale Forschungsgruppe nach einer umfangreichen Bestandsaufnahme am 28. Februar 2024 im Fachblatt „Royal Society Open Science“ berichtet, schrumpft die Buckelwal-Population im Nordpazifik infolge der Erwärmung der Ozeane.
Australiens Umweltministerin Sussan Ley verkündete am 26. Februar 2022, dass Buckelwale von der Liste der bedrohten Arten gestrichen werden können. Ihre Zahl ist in australischen Gewässern von rund 1500 auf mindestens 40.000 gestiegen. Forschende und Umweltschützer*innen sprechen teilweise sogar von bis zu 65.000 Tieren. Die Zahl der Tiere war zu Zeiten des kommerziellen Walfangs drastisch eingebrochen. Mehr als 30.000 Buckelwale wurden in Australien und Neuseeland von Walfängern getötet, bevor dem lokalen Walfang 1963 ein Ende gesetzt wurde. 1965 erhielten die Tiere dann internationalen Schutz.
Belugawale oder Weißwale leben in arktischen und subarktischen Gewässern. In Europa findet man sie nur an der nördlichsten Spitze Norwegens. Wie die nahe verwandten Narwale besitzen sie keine Rückenfinne; auffällig ist ihre bläulich-weiße bis cremeweiße Färbung. Belugawale sind keine Einzelgänger. Meist werden etwa zehn Tiere zusammen gesichtet, doch auch große Gruppen von bis zu hundert Tieren wurden schon beobachtet. Während der Paarungszeit kommen teilweise mehr als tausend Tiere auf der Suche nach einem Partner oder einer Partnerin zusammen. Die wendigen Weißwale sind äußerst musikalisch: Wegen ihres großen Klangrepertoires werden sie bisweilen „Kanarienvögel der Meere“ genannt. Die Form der charakteristischen Beule am Kopf verändern die Tiere gezielt – und damit auch die Tonhöhe ihrer Kommunikation. Die Wale singen, um sich miteinander zu verständigen, etwa um sich gegenseitig vor Gefahren zu warnen. Auch ihr Gehör ist phänomenal. Mithilfe von Echoortung jagen Belugawale ihre Beute in den Tiefen der Meere. Belugas können den Kopf drehen und sogar nicken. Nur wenige andere Delfin- und Walarten sind dazu in der Lage. Belugawale können bis zu 70 Jahre alt werden – vorausgesetzt, sie leben nicht in Gefangenschaft. Viele von ihnen werden in Freizeitparks oder Aquarien eingesperrt und trainiert, um vor Publikum Tricks vorzuführen. Auf dieses Leid der Belugawale macht die Arte-Doku „Zum Leiden verdammt – Das Geschäft mit den Belugawalen“ aufmerksam.
Finnwale sind nach den Blauwalen die zweitgrößten Säugetiere der Erde. Sie sind bis zu 24 Meter lang und bis zu 50 Tonnen schwer und können in mehr als 500 Meter Tiefe tauchen, um Krill, kleine Fische und Tintenfische zu fressen. Alle zehn bis 15 Minuten kommen sie zum Luftholen an die Oberfläche.
Der Grönlandwal wird bis zu 20 Meter lang und erreicht ein Gewicht von 100 Tonnen. Mit über 200 Jahren wird er älter als alle anderen Säugetiere.
Der Narwal ist ein einmaliges Wesen. Er lebt in den arktischen Gewässern vor Kanada, Grönland und Russland, und nur wenige Menschen bekommen ihn je zu Gesicht. Tun sie es doch, ist es ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Denn viele männliche Narwale besitzen einen bis zu drei Meter langen Stoßzahn, der beim Auftauchen weit aus dem Wasser ragt. Es handelt sich dabei um einen (meist den linken) Eckzahn des Oberkiefers, der schraubenförmig gegen den Uhrzeigersinn gewunden die Oberlippe durchbricht und bis zu drei Meter lang und acht bis zehn Kilogramm schwer werden kann. „Einhorn der Meere“ werden die seltenen Tiere daher auch genannt. Sie verbringen einen Großteil ihres Lebens unter dem Eis, sodass bis heute über ihre Lebensweise nur wenig bekannt ist.
Orcas oder Schwertwale, die Könige der Meere, sind weltweit verbreitet, bewohnen jedoch bevorzugt küstennahe Gewässer in höheren Breiten. Schwertwalbullen werden bis zu 9,8 Meter lang. Das größte dokumentierte Gewicht wurde mit 6,6 Tonnen bei einem 7,65 Meter langen Bullen festgestellt.
- Dokumentation Die Sprache der Wale
Pottwale sind mit bis zu 20 Metern Körperlänge und 60 Tonnen Gewicht die größten Raubtiere der Erde. Sie können in Tiefen von bis zu 2000 Metern tauchen, um nach ihrer Leibspeise, den Tiefseekalmaren, zu suchen. Damit gelten sie als die Meeressäuger, die am tiefsten tauchen können. Pottwale sowie Finnwale sind auch im Mittelmeer zu Hause. Bevor Pottwale im 19. Jahrhundert wegen ihres Fetts gejagt wurden, das zu Lampenöl verarbeitet wurde, gab es nach Expertenschätzung bis zu drei Millionen Pottwale; heute existieren laut WWF schätzungsweise noch 200.000 bis 1,5 Millionen Individuen. Die hochsozialen Tiere leben in Clans zusammen, die tausende Individuen umfasssen können, und verständigen sich über Klicksequenzen, sogenannte Codas.
Schweinswale sind die kleinen Verwandten der größeren Blau-, Pott- oder Buckelwale. Mit lediglich 1,50 bis zwei Metern Länge sind sie die kleinsten Wale in offenen Gewässern und einzige heimische Walart in Nord- und Ostsee. Noch etwa 230.000 Schweinswale leben in der Nordsee, in der westlichen Ostsee schätzungsweise nur noch rund 20.000 Exemplare. Die Teilpopulation im Osten der Ostsee, die aus nur noch knapp 500 Tieren besteht, gilt als extrem bedroht.
Wie aus einer Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover hervorgeht, die im Januar 2021 im Fachmagazin „Frontiers in Marine Science“ veröffentlicht wurde, hat sich der Bestand von Schweinswalen in der deutschen Nordsee von 2006 bis 2019 drastisch reduziert. Die Zahl der Tiere sei nach 2002 zwar zunächst angestiegen, insgesamt gesehen sei sie im Zeitraum von 2002 bis 2019 im Durchschnitt pro Jahr jedoch um 1,8 Prozent gesunken. Im Jahr 2019 lebten demnach in der deutschen Nordsee noch rund 23.000 Schweinswale. Der Schweinswal sei für das Gleichgewicht des Ökosystems Nordsee enorm wichtig. Gehe die Population dieser sensiblen Tierart zurück, sei dies ein Indikator dafür, dass die Balance nicht mehr stimmt. Frühere Studien legten bereits nahe, dass der Schiffsverkehr, die Fischerei und Offshore-Windparks mitverantwortlich für veränderte Populationen sein könnten.
Wie aus der Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Steffi Lemke hervorgeht, sind an der deutschen Ostseeküste im Jahr 2019 mindestens 180 tote Schweinswale gefunden worden. Für die Tiere gibt es keine wirksamen Meeresschutzgebiete in Deutschland, obwohl der Schweinswal vom Aussterben bedroht ist. Die Zahl der toten Schweinswale in der Ostsee war 2019 die dritthöchste nach 2016 (221) und 2018 (203).
Die Deutsche Wildtier-Stiftung hat am 26. November 2021 den Gewöhnlichen Schweinswal als Tier des Jahres 2022 vorgestellt.
Die mit 1,50 Metern kleinste Walart der Welt, der Kalifornische Schweinswal, auch Vaquita oder Golftümmler genannt, der nur ein 2235 Quadratkilometer großes Gebiet im Nordwesten des Golfs von Kalifornien vor Mexiko bewohnt, steht offenbar kurz vor dem Aussterben. Am 13. Mai 2016 teilte die mexikanische Regierung mit, eine Zählung zusammen mit dem Wissenschaftlernetzwerk CIRVA von September bis Dezember 2015 habe ergeben, dass es nur noch rund 60 Exemplare der Meeressäuger gebe. Zuletzt ging die Population auf nur noch 20 bis 28 Exemplare zurück. Laut einer Mitteilung des WWF hat der Wissenschaftsausschuss der Internationalen Walfang-Kommission (IWC) am 7. August 2023 zum ersten Mal eine Warnung über das unmittelbar bevorstehende Aussterben des Vaquita veröffentlicht. Mit nur noch zehn verbleibenden Individuen drohe er jetzt bald von der Erde zu verschwinden.
Der Atlantische Nordkaper, einer der majestätischen Großwale, ist vom Aussterben bedroht. Es wird vermutet, dass einst 100.000 dieser 13 bis 16 Meter, maximal bis zu 18 Meter großen und zwischen 40 und 780 Tonnen schweren Meeressäuger im Atlantik lebten. Inzwischen sind es nur noch 400 bis 500 Tiere. Der Nordkaper gilt heute als die einzige Walart, die sich nach der Beendigung des Walfangs nicht erholt hat.
Den Delfinen, der mit rund 40 Arten größten Familie der Wale, ist dieser Beitrag gewidmet.
Indigene aus Neuseeland, Tahiti und den Cookinseln unterzeichneten im Frühjahr 2024 eine Erklärung, die Wale als juristische Personen anerkennt. Durch die historische Vereinbarung sollen die Regierungen veranlasst werden, die Initiative gesetzlich zu verankern und den Schutz der Wale zu erhöhen. Zugleich würde damit den Indigenen „die Autorität über ihre Ozeane zurückgegeben“.
Einem am 20. September 2024 veröffentlichten Online-Report des WWF zufolge gefährdet der dramatische Anstieg des Schiffsverkehrs in der Arktis (von 2013 bis 2023 ist die Zahl der Schiffe in arktischen Gewässern um 37 Prozent gestiegen, die zurückgelegte Entfernung hat sich verdoppelt) besonders die Narwale, Belugas und Grönlandwale, Walarten, die ausschließlich in der Arktis beheimatet sind.
Informationen zum Walfang finden Sie hier.