Schwund der Biodiversität: Information: Artensterben in Europa
Artensterben in Europa
Biotope stellen das „ökologische Rückgrat“ der biologischen Vielfalt dar. Ein internationales Forscherteam hat 2016 erstmals eine europäische Rote Liste gefährdeter Lebensräume in Europa erstellt. Insgesamt seien trotz eingeleiteter Schutzmaßnahmen bereits mehr als ein Drittel aller Lebensräume gefährdet. An erster Stelle stehen die Moore. Drei Viertel gelten als bedroht. Dramatisch ist danach aber auch die Lage bei den artenreichen Wiesen sowie von Seen-, Fluss- und Küsten-Biotopen.
Am 12. Januar 2016 erschien die im Auftrag des grünen Europaabgeordneten Martin Häusling vom Wissenschaftsautor Stephan Börnecke erstellte Studie: Wir sind dann mal weg – Die (un-)heimliche Arten-Erosion. Eine agroindustrielle Landwirtschaft dezimiert unsere Lebensvielfalt (aktualisierte und erweiterte Neuauflage 2017).
Einer am 15. Mai 2023 im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienenen Studie eines europäischen Forschungsteams zufolge ist die Zahl der Vögel in Europa von 1980 bis 016 um ein Viertel gesunken. Hauptgrund dafür ist demnach der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in der intensiven Landwirtschaft. Pestizide reduzieren die Anzahl der Insekten, die wiederum vielen Vogelarten als Futter dienen.
Im Oktober 2021 hat die Naturschutzorganisation BirdLife International, der Dachverband des NABU, die aktuelle Europäische Rote Liste der Vögel veröffentlicht. Demnach sind 30 Prozent der 544 ausgewerteten Vogelarten vom Aussterben bedroht. 2015 waren es noch 27,6 Prozent. Obwohl viele Arten mehrheitlich in eine niedrigere Gefährdungsklasse herabgestuft werden, steigt die Gesamtzahl bedrohter Vogelarten insgesamt an: Mit 110 Arten hat sich ihre Zahl auf über 20 Prozent erhöht. Die meisten Rückgänge sind bei weit verbreiteten Singvögeln wie Lerchen, Würgern und Ammern zu beobachten. Sie verlieren ihre offenen Lebensräume, da immer mehr kleinteilige Landschaften verschwinden. Hinzu kommt der verstärkte Einsatz von Agrarchemikalien.
Laut einer am 16. November 2021 veröffentlichten Studie über Brutvögel in der Europäischen Union sind zwischen 1980 und 2017 etwa 600 Millionen Brutvögel verloren gegangen. Den größten Populationsrückgang verzeichnet der Haussperling mit allein 247 Millionen. Vermutete Ursachen sind vor allem Nahrungsmangel und Luftverschmutzung in vielen Städten, aber auch Veränderungen in der Agrarpolitik und -bewirtschaftung.
Aus Daten des europaweiten Vogelmonitoringprogramms (Pan-European Common Bird Monitoring Scheme, PECBMS) geht hervor, dass die europäischen Bestände der Feld- und Wiesenvögel in Europa von Beginn der Zählungen ab 1980 bis 2016 um 57 Prozent zurückgegangen sind; zu ihnen zählen Feldlerchen, Kiebitze oder Stare. Für die Studie wurden Daten aus 28 Ländern zu über 170 Arten zusammengetragen. Weit besser als den Feldvögeln erging es den Waldvögeln, deren Bestand nur um sechs Prozent zurückging.
Laut dem am 19. Oktober 2020 vorgestellten Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA), der den Zeitraum 2013 bis 2018 umfasst und nach EEA-Angaben die umfassendste Datensammlung darstellt, die jemals in Europa zum Zustand der Natur unternommen wurde, befinden sich weniger als die Hälfte (47 Prozent) der 463 Vogelarten in der EU in einem guten Erhaltungszustand – fünf Prozent weniger als im letzten Berichtszeitraum 2008 bis 2012. Der Anteil der Vögel mit mangelhaftem oder schlechtem Erhaltungszustand ist in den letzten sechs Jahren um sieben Prozent auf insgesamt 39 Prozent gestiegen.
Bienen sind in Mitteleuropa die wichtigsten Pflanzenbestäuber und deshalb für die Biodiversität unerlässlich. Mehr als 80 Prozent aller angebauten Pflanzen werden von Bienen bestäubt. Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben aber in den letzten Jahrzehnten die Bestände der Bienen rapide abgenommen. Knapp die Hälfte der in Deutschland vorkommenden Arten an Wildbienen gilt in ihrem Bestand als gefährdet. Der Grund hierfür ist in erster Linie die Verschlechterung der Lebensräume.
Innerhalb von 20 Jahren ist in Europa die Hälfte der Wiesen-Schmetterlinge verschwunden, ergab eine Untersuchung der Europäischen Umweltagentur (EUA). Von den heimischen Großschmetterlingsarten gelten über 40 Prozent als gefährdet, bei den Tagfaltern rund 50 Prozent. Als wichtige Ursache des Artenschwunds gilt die Intensivlandwirtschaft.
Von den 1082 Heuschreckenarten in Europa sind nach Expertenangaben 25,7 Prozent gefährdet. Die Zahlen nannte Axel Hochkirch, Biogeograf an der Universität Trier, im Januar 2017. Unter seiner Leitung hatten gut 150 Heuschrecken-Experten die Daten für die europäische Rote Liste erstellt.
Ackerwildkräuter sind laut Bund Naturschutz (BN) die am stärksten zurückgegangene Pflanzengruppe in Mitteleuropa. Mehr als 30 Prozent der 270 Spezies sind in ihrem Bestand bedroht. Bundesweit steht jede zweite Art mindestens in einem Bundesland auf der Roten Liste.
Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. In einer Untersuchung, die das Umweltministerium von Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben hatte, wurden 2391 Arten nachgewiesen. (Frankfurter Rundschau vom 26./27. April 2014)