Nur ein leeres Kreuz ist ein gutes Kreuz

Predigt von Pfr. Kuno Hauck über 1. Korinther 1,18-25, gehalten am 11. Juli 2010 in Nürnberg-Mögeldorf

 

18] Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft. [19] Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« [20] Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? [21] Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. [22] Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, [23] wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; [24] denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. [25] Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind.

Liebe Gemeinde,

am Kreuz kommt keiner vorbei, es begegnet uns auf Schritt und Tritt in unserem Leben. Wanderer freuen sich, wenn sie auf ihrer Bergtour endlich das Gipfelkreuz erreicht haben. Kreuze am Fahrbahnrand erinnern uns an Unglücke im Straßenverkehr. Noch überwiegen bei uns in Bayern die Kreuze in den Klassenzimmern und in den Gerichtsgebäuden. Viele Menschen tragen ein Kettchen mit einem Kreuz um den Hals. Am und in den Traueranzeigen ist das Kreuz, da am häufigsten verwendete Symbol. Im christlichen Bereich ist das Kreuz seit eh und je das dominierende Zeichen. In allen Kirchen gibt es meist mehrere Kreuzesbilder oder Darstellungen, und gibt keine kirchliche Handlung ohne das Zeichen des Kreuzes.

Wenn auch das Kreuz im Alltag vielfach sichtbar präsent ist, so gehen doch die Meinungen über die Bedeutung des Kreuzes für unseren Glauben weit einander. Für die einen nur ein netter Schmuck, für den anderen Ausdruck des Bekenntnisses, für andere zentraler Inhalt des Glaubens, wie diese Woche ein Frau zu mir sagte: Ohne Jesu Tod am Kreuz, wäre die Welt verloren, ohne Jesu Tod am Kreuz, gäbe es keine Auferstehung der Toten.

Diese sogenannte Opfertheologie, deren zentrale Aussage ist: „Jesus musste für die Sünden der Welt am Kreuz sterben!“ galt lange Zeit als die vorherrschende Deutung, des Todes Jesu. Während lange Zeit in der Kirche Kritik an der „Opfertheologie“ nur unter vorgehaltener Hand geäußert wurde, so kann inzwischen offen über eine Neuinterpretation der „Kreuzestheologie“ nachgedacht werden, was auch das Ziel meiner Predigt ist.

Die Worte des Apostels Paulus: „Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt?“ zeigen, dass das Ringen um das rechte Verständnis des Todes Jesu von Anfang an zum Christentum mit dazu gehörte.  Im Jahre 54, als Paulus den 1. Korintherbrief schrieb, befand er sich in der Auseinandersetzung mit charismatischen Gruppen in Korinth, die sich schon im Stand der Vollkommenheit und der Erkenntnis wähnten. Mit seinem „Wort vom Kreuz“ wollte er die sogenannten „Schwärmer“ auf den Boden der Realität zurückholen. Denjenigen, die meinten man müsste sich gar nicht so sehr um die irdischen Sorgen Gedanken machen, da man schon einen höheren Grad der Erleuchtung erreicht hätte sagte er mit deutlichen Worten: „Das Opfer und das Leid gehören zum Christsein mit dazu.“

Im Laufe der Kirchengeschichte, liebe Gemeinde, hat sich dieser Gedanke: „Leid gehören zum Christsein mit dazu“, leider verselbständigt und auch das Opfer Jesu wurde mehr und mehr überhöht. Zu sehr haben wir, auch in der evangelischen Kirche, im Tod Jesu am Kreuz ein für die Welt zwingend, notwendiges Ereignis gesehen. Tatsächlich war Jesu bereit für das Evangelium vom Reich Gott alle Konsequenzen auf sich zu nehmen, und wenn es sein muss, auch dafür zu sterben, aber diese Bereitschaft wurde mehr und mehr in ein „muss“ verwandelt.  Am Schluss ging es nicht mehr um die innere Haltung Jesus, es ging nicht mehr darum, wie konsequent er seine Ziele verfolgte; am Schluss ging es nur noch darum, dass Jesus sterben musste und nur dieses blutige Opfer, Gott mit den Menschen versöhnte.

Liebe Gemeinde,
je mehr die Kirche verkündet hat, dass unsere Welt den Tod Jesu „brauchte“ um so mehr verlor der christliche Glaube die Liebe zur Welt und die Ehrfurcht vor dem Leben.  Die Welt wurde immer negativer gesehen, der Mensch immer erlösungsbedürftiger, wie es sich auch in Lieder ausdrückt wie: „O Mensch, bewein dein Sünde groß“. Die logische Konsequenz dieser Theologie war, dass auch die Kirchen die Erlösung durch das Leid gepredigt und besungen haben, wie es in der 2. Strophe des Liedes „Jesu geh voran heißt“: „denn durch Trübsal hier, führt der Weg zu Dir“.

Aus Liebe zur Gottes Schöpfung, und zum Menschen, liebe Gemeinde, sollte das „Wort vom Kreuz“ aber unter einem neuen Vorzeichen gesehen werden, und dieses lautet: „Nur ein leeres Kreuz, ein Kreuz, das nicht gebraucht wird um andere zu kreuzigen, ist ein gutes Kreuz, d.h. ein Zeichen der Hoffnung.“ Eine „Kreuzestheologie“, die den Menschen predigt, dass Gott ein Opfer gebraucht hat, um sich mit den Menschen zu versöhnen, entmutigt alle, die gegen auferlegte Kreuze, gegen Unterdrückung und Leid, gegen Ungerechtigkeit, Folter und Tod in der Welt kämpfen.

Nicht zufällig entstanden gerade in Mittelamerika bunte Holzkreuze auf denen in der Mitte statt des gekreuzigten Jesu, eine Frauengestalt mit ausgebreiteten Armen zu sehen ist. Frauen sind in vielen Gesellschaften gerade die Gruppe von Menschen, denen gerne alle Lasten, alles Leid der Welt auferlegt werden und von denen man auch immer erwartet hat, dass sie sich ihrem Schicksal fügen. Gerade auch für sie gilt die Botschaft: „Nur ein leeres Kreuz, ein Kreuz, das nicht gebraucht wird, ist ein gutes Kreuz, d.h. ein Zeichen der Hoffnung.“ So hat uns Menschen auch Jesus nicht durch sein Leiden und seinen Tod erlöst, er hat uns vielmehr durch sein Leben den Weg zu Gott gezeigt. Er hat uns die frohe Botschaft des Reiches Gottes hier und jetzt verkündet. Er hat sich den Menschen in ihren Nöten zugewandt, Krankheiten geheilt, Leiden gemildert und Hoffnung gegeben. Jesus hat Menschen eine neue Perspektive des Zusammenlebens eröffnet und vorgelebt. Gottesfürchtiges Leben schließt zwar die Bereitschaft zum Leid mit ein, macht das Leid aber nicht zur Voraussetzung.

Das Wort vom leeren Kreuz, liebe Gemeinde, ist vielleicht denen eine Torheit, die keine Hoffnung mehr für diese Welt haben; uns aber, ist’s eine Gotteskraft, denn es spricht von Liebe, von Gerechtigkeit und Versöhnung.
Unser diakonischer Auftrag muss es daher sein, den Menschen die Kreuze, z.B. der Armut, der Diskriminierung, der Arbeitslosigkeit der Verzweiflung und Angst im Leben abzunehmen.

Wenn wir heute den gekreuzigten predigen dann muss unser Schlusssatz sein: „Nur ein leeres Kreuz ist ein gutes Kreuz“.

Amen

 


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