Zum 28. Oktober 1910
Nirgendwo hat der Mensch die Utopie des Lebens im Kollektiv so erfolgreich verwirklicht wie in den israelischen Kibbuzim, dieser auf egalitären, zeit- und fallweise auch sozialistischen Prinzipien gegründeten Gemeinschaft.
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Kibbuzim auch eine entscheidende Rolle bei der jüdischen Besiedlung Israels spielten. Ein Vorteil der Kibbuzim bestand vor allem in der Anfangszeit darin, dass leichter (Wehr-) Siedlungen in bisher kaum erschlossenen Gegenden gegründet werden konnten (unter Umständen auch gegen den Willen von in umliegenden Dörfern wohnenden Arabern). Einen Kibbuz zu gründen, war nur den Israelis vorbehalten, die u.a. beim medizinischen Eignungstest der Armee mindestens 72 Punkte erreichten und damit als tauglich für eine Kampfeinheit eingestuft wurden. 1948 wurden in Nacht-und-Nebel-Aktionen Kibbuzim in Grenzregionen gegründet, ganz im Sinne der zionistischen Siedlungspolitik, um dadurch die künftigen Grenzen des Judenstaates, gegen die Rechte der Palästinenser, zu bestimmen.
Heute sind viele der noch bestehenden 250 Kibbuzim ganz oder teilweise privatisiert. 106.000 Israelis leben dort.
- Thomas Vescovi, Abschied vom Kibbuz. Nach der israelischen Parlamentswahl vom 23. März ist Ministerpräsident Netanjahu ein weiteres Mal mit der Regierungsbildung gescheitert. Das Land ist tief gespalten – und die zionistische Linke ist mitsamt ihren Idealen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, in: Le Monde diplomatique, Mai 2021
- James Horrox, Gelebte Revolution. Anarchismus in der Kibbuzbewegung, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2021