Matthäus 5,39b / Lukas 6,29a

Matthäus ergänzt: „…auf die rechte Wange…“. Die kürzere lukanische Textfassung dürfte ursprünglicher sein.

Dieses Wort ist keineswegs als Aufforderung zur passiven Duldung eines gewaltsamen Angriffs zu verstehen – eine solche Fehlinterpretation wird durch den matthäischen Vers 39 a suggeriert: „Ich aber sage euch: Leistet dem Bösen keinen Widerstand.“ Ganz im Gegenteil geht es vielmehr darum, den Kreislauf des Bösen mutig zu stoppen und zu durchbrechen. Erreicht werden soll, dass der andere jetzt nicht und überhaupt nie mehr zuschlägt. Das aber setzt voraus, dass er selbst zur Einsicht kommt, dass er sein Verhalten sozusagen aus der Perspektive des Geschlagenen betrachten kann. Dazu muss er die Chance bekommen, zumindest kurz innezuhalten.

Jesus fordert deshalb den Angegriffenen auf, völlig anders zu reagieren, als es der Angreifer erwartet, nämlich nicht etwa zurückzuschlagen oder auszuweichen, sondern ihm „die andere Wange hinzuhalten“. Dieses phantasievolle, mutige, aber natürlich auch höchst riskante Verhalten könnte den Angreifer derart verwirren, dass er eben gerade nicht ein zweites Mal zuschlägt, sondern zur Besinnung kommt und so die Spirale von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen wird.


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