Die Jesusworte („The Basement Tapes“)

„The Basement Tapes“, die Bob Dylan und The Band im Jahr 1967 in den Kellern und Wohnzimmern ihrer spontan in Woodstock angemieteten Häuser aufnahmen, sind seit Jahrzehnten so etwas wie der Urtext der Rockmusik. Woodstock war ein guter Ort, um Amerika wieder zu entdecken. Hier, in den Catskill Mountains, dem alten Siedlungsgebiet der Mohawks, riecht man den Waldboden, die Gräser, das Moos. Es gibt Luchse, und tiefer in der Wildnis sogar Schwarzbären. In den Liedern des Country und des Folk hatten Bob Dylan und The Band bei ihren Sessions nicht nur die Weite ihres Kontinents entdeckt, die heroischen Kapitel der Geschichte, sondern auch ihre Abgründe und Nischen.

Der Kritiker John Poppy schrieb damals über The Band den längst legendären Absatz: „Sie haben in mir Gefühle aufgewühlt, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie habe. Sie beschwören ein Amerikanischsein, das mich direkt in eine Art Heimat des Herzens transportiert. Das sind Versatzstücke unseres gemeinsamen Lebens auf diesem Kontinent. Und deswegen treffen dich ihre Songs wie ein Geruch aus der Kindheit, der sofort satte, scharfe Erinnerungen in einem weckt.“ Wenn es so etwas wie die Seele eines Landes gibt, dann hatten Bob Dylan und The Band sie gefunden. (Aus bzw. nach: Andrian Kreye, Heimkommen. Was gelang Bob Dylan und The Band mit den „Basement Tapes“ von 1967, die jetzt neu herauskommen? Eine Versöhnung mit den eigenen Wurzeln, die in Europa nie geklappt hat, in: Süddeutsche Zeitung vom 15./16. November 2014)

Die mit hoher Wahrscheinlichkeit authentischen 21 Jesusworte repräsentieren nicht nur den Urgrund der neutestamentlichen Überlieferung, sie sind für uns nicht nur Basis und Fundament der Kirche, gewissermaßen der „Grundwortschatz“, mit dem die Kirche steht und fällt. Sie bringen uns Menschen aus unserer Sicht auch mit der „Seele“ unserer Existenz (wieder) in Verbindung, mit dem, was uns als Kinder (vielleicht) noch geläufig war: in einer freundlichen, uns zugewandten Welt zu Hause zu sein, ihr selber anzugehören und sie „weiterzuleben“. Das macht unser aller Leben jedenfalls von Grund auf aus: dass es aus der Welt heraus ins Dasein getreten ist und sich in und mit der Welt vollzieht.

Dieser Zusammenhang aber hat eine einzigartige, eine heilige, ja „göttliche“ Qualität. Er setzt Erfahrungen und Gefühle frei, die uns im Innersten berühren. Es ist tatsächlich wie ein Heimkommen. Es ist das überwältigende Empfinden: Alles stimmt, alles ist stimmig und gut (vgl. 1. Mose 1,31); ich kann es gut sein lassen. Die Weltverbundenheit und sie allein lässt diesen göttlichen Glanz aufscheinen. Aus ihr heraus und nur durch sie erschließt sich der zentrale Satz des jesuanischen Evangeliums: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lukas 21,17), ja er ergibt sich jetzt quasi wie von selbst und wird zu unserer eigenen Botschaft.

Aus diesem „Basistext“, diesem cantus firmus heraus ergibt sich dann wie von selbst die Lebensmelodie der Einfachheit, der Zugewandtheit, des Gegenwärtig Seins und des Gewärtig Seins  für das sich jeden Moment wieder eröffnende Unbekannte und Neue, kurz: für das Abenteuer eines mit der Welt verbundenen, in das „Reich Gottes“ hineinverflochtenen, ja an ihm selber teilhabenden Lebens selbst.


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