Mikroorganismen
MIKROORGANISMEN sind mikroskopisch kleine Lebewesen, die als Einzelwesen mit bloßem Auge nicht erkennbar sind. Sie werden auch als Mikroben oder Kleinstlebewesen bezeichnet. Die meisten Mikroorganismen sind Einzeller, zu ihnen zählen jedoch auch wenigzellige Lebewesen entsprechender Größe: Bakterien, Archaeen, Viren, Pilze, Algen, Pantoffeltierchen, Wasserflöhe und andere kleine Lebewesen. Mikroorganismen bilden das größte Reich der Lebewesen und stellen mit 70 Prozent den größten Anteil an lebender Materie (Biomasse). Mikroorganismen sind Überlebenskünstler. Sie haben über Jahrtausende gelernt sich anzupassen. Das Bärtierchen hält mehrere Jahre bei 150 Grad Celsius in der Wüste aus, aber auch minus 200 Grad im Eis.
Mikroorganismen treiben die für das Leben auf unserem Planeten wichtigen geochemischen Stoffumsetzungen an und beeinflussen auch das globale Klima. Die mikrobielle Verstoffwechselung kritischer chemischer Elemente wie Kohlenstoff oder Stickstoff trägt dazu bei, die Erde bewohnbar für alle anderen Lebewesen zu halten. Mikroorganismen erzeugen mindestens die Hälfte des elementaren Sauerstoffs des Planeten.
Die Summe der Mikroorganismen (vor allem Bakterien) – das sogenannte Mikrobiom –, die auf und im menschlichen Körper existieren , ist etwa 10- bis 100-mal höher als die Zahl der Zellen, aus denen ein Mensch besteht: Etwa eine Billiarde Mikroorganismen stehen 10 bis 100 Billionen menschlichen Zellen gegenüber. Dies entspricht einer Gesamtmasse von 0,5 bis 1 Kilogramm Mikroorganismen. Auf einem Quadratzentimeter Haut leben 100.000 Bakterien. Diese „Mitbewohner“ organisieren einen Großteil der Immunabwehr, schützen unsere Haut und kommunizieren mit dem Hirn, vor allem aber ermöglichen sie als „Darmflora“ den Stoffwechsel. (Heute weiß man, dass das aus rund 40 Billionen Bakterien aus mehr als tausend verschiedenen Bakterienarten bestehende Darmmikrobiom nicht alleine bei der Verdauung eine wesentliche Rolle spielt, sondern auch für viele andere Funktionen in unserem Körper wichtig ist. So nimmt die Darmflora unter anderem großen Einfluss auf das Immunsystem.) Die individuelle Besiedlungsgeschichte setzt bereits während der Geburt ein. Nach und nach gestaltet sich diese Mikroflora unter Einfluss von Umgebung und Genen individuell um.
„Im menschlichen Körper wie im Boden und in Pflanzen siedeln Milliarden von Bakterien, Pilzen, Viren und Einzellern. Sie bilden im Darm des Menschen das Darmmikrobiom und im Wurzelbereich der Pflanze das Bodenmikrobiom. Das Darmmikrobiom beeinflusst den menschlichen Stoffwechsel und das Bodenmikrobiom über die Wurzel den Stoffwechsel der Pflanze. Die Viren, Pilze und Bakterien im Darm wirken mit bei der Verarbeitung von Nahrungsmitteln und schützen vor Krankheitserregern. Dabei sind das pflanzliche und das menschliche Mikrobiom miteinander quasi verbunden, weil Darm und Wurzelbereich von ähnlichen Bakterien bewohnt werden. Gemüse und Obst sind nicht nur deswegen so gesund, weil sie Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe enthalten, sondern auch, weil sie gesundheitsförderliche Mikroben liefern. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Nahrung möglicherweise einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms hat als die Gene des Menschen.“ (Bodenatlas 2024, S. 36)
„Und dann fährt Rasmussen fort [der amerikanische Theologe und Ethiker Larry Rasmussen in seinem 2013 erschienenen Buch „Earth Honoring Faith. Religious Ethics in a New Key‘]: »Ohne diese Mikroorganismen würden wir innerhalb weniger Stunden verenden. … Wir leben nur aufgrund der Freundlichkeit von unzähligen Fremden in uns.«
Das ist nicht eklig, sondern atemberaubend. So atemberaubend, dass ich Sie und euch bitten möchte, eine Minute innezuhalten und unseren trillionenfachen Mitbewohnern unsere Reverenz zu erweisen:
Willkommen, ihr Vielen! Willkommen, ihr 400 Mikroben-Arten in meinem Mund!
Seid gegrüßt, ihr klitzekleinen Baumeister des Lebens!
Es tut mir leid, dass ich euch nicht freundlicher beachtet habe!
Ihr lebt von mir, wie ich von euch lebe.
Zusammen sind wir eine Spur im unergründlichen Gewebe des Lebendigen!
Seid mir willkommen!
Pfarrer Dr. Geiko Müller-Fahrenholz in seinem Vortrag „»Heimat Erde« – Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungsbewahrung und ökumenische Spiritualität“ auf der Ökumenischen Versammlung vom 30. April bis 4. Mai 2014 in Mainz
„Micropia“ in Amsterdam ist der erste und einzige Mikroben-Zoo der Welt.
„Wunderwaffe Mikrobiom. Kleine Helfer, große Wirkung (3sat)“
Unser aller gemeinsamer Vorfahr heißt LUCA (Last Universal Common Ancestor) und ist der erste Einzeller, der vor etwa 3,5 Milliarden Jahren im Wasser entstanden ist. Alles Leben auf der Erde stammt von dieser Zelle ab. […] Als Menschen sind wir nicht nur mit anderen Menschen verwandt, sind nicht nur Nachfahren von Adam und Eva, sondern auch von LUCA, der ersten Zelle. Darum sind wir mit allem verwandt, was lebt. Wir sind »biosoziale« Wesen. Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, sondern ein Ästchen am weit verzweigten Baum des Lebens, Geschöpf unter Mitgeschöpfen.
Aus: Bernd Kappes, Krone der Schöpfung?, in: Publik-Forum Nr. 7/2018 vom 13.04.2018
Die Deutsche Gesellschaft für Protozoologie bestimmt den Einzeller des Jahres. Mit ihrer Wahl wollen die Wissenschaftler darauf aufmerksam machen, welch wichtige Rolle die große Gruppe der Einzeller für die Ökosysteme der Erde spielt. Einzeller des Jahres 2024 ist das nur 3 bis 4 Mikrometer (ein Tausendstel Millimeter) winzige Geißeltierchen Cafeteria.
Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) wählen seit 2014 jährlich die Mikrobe des Jahres aus, um auf die Vielfalt der mikrobiologischen Welt und auf die bedeutsame Rolle der Mikroorganismen für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft hinzuweisen. Mikrobe des Jahres 2024 ist Kabelbakterium Electronema.