Neptun
Die Planeten Uranus und NEPTUN haben während der Kindheit unseres Sonnensystems ihre Plätze getauscht: In den ersten 650 Millionen Jahren nach dessen Entstehung folgten auf den Gasriesen Saturn – von innen nach außen – die kleineren Gasplaneten Neptun und Uranus. Erst vor rund vier Milliarden Jahren rückte dann Neptun auf die äußerste Position im Sonnensystem vor.
Neptun ist etwa 4,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt, dreißigmal weiter als die Erde. Das Sonnenlicht ist vier Stunden und zehn Minuten zu Neptun unterwegs. Niemand erlebt einen vollen Umlauf des Neptuns, denn der Planet ist 165 Jahre unterwegs, um mit seinen 14 Monden einmal um die Sonne zu laufen. Mit vierfachem Erddurchmesser (49.424 Kilometer) zählt er zu den Riesenplaneten, die allesamt von dichten Atmosphären aus Wasserstoff, Helium, Methan und Ammoniak eingehüllt sind. Im irdischen Teleskop erscheint er aber selbst bei starker Vergrößerung nur als winzige blaue Murmel. Der Neptunglobus rotiert recht schnell. Ein Neptuntag dauert nur sechzehn Stunden. Im August 1989 passierte Voyager 2 als bisher einziger irdischer Späher den Planeten. 2013 hat das Weltraumteleskop „Hubble“ den 14. und zugleich mit 20 Kilometer Durchmesser kleinsten bekannten Mond des Neptuns entdeckt. Nachdem Pluto im Jahr 2006 in die neu geschaffene Kategorie der Zwergplaneten aufgenommen wurde, ist Neptun der sonnenfernste Planet.
„Die Geschichte Neptuns ist die eigenartigste in der Naturwissenschaft. Nachdem der Hannoveraner Astronom Wilhelm Herschel 1781 Uranus entdeckt hatte, ergründete die Astronomie die physikalischen und bewegungstechnischen Elemente des neuen Objektes. Schon bald stellte sich in der Bahn des Uranus eine merkwürdige Unstimmigkeit heraus. Er hielt nicht den Lauf um die Sonne inne, den er der Berechnung nach hätte haben müssen. Irgendetwas war also nicht in Ordnung. Die Gelehrten stutzten. Bessel, der Leiter der Königsberger Sternwarte, sprach – man schrieb gerade 1823 – als erster den Verdacht aus, dass ein anderer, jenseits der Uranusbahn laufender Planet die Ursache dieser sonderbaren Störung sei.
In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts griff man den Gedanken erneut auf. Die Störungen in der Uranusbahn wurden immer augenfälliger, geradezu ein Ärgernis für die Astronomen. Längst war man sich klar, dass ein fremder Himmelskörper unerkannt die Berechnungen des Uranus über den Haufen warf. Wo aber steckte dieser Koloss? Wieder war alles Suchen vergeblich, und man sah ein, dass jedes weitere Forschen umsonst sein musste, wenn man nicht wenigstens den ungefähren Ort des geheimnisvollen Planeten angeben konnte. Da holten die Astronomen zu einem kühnen Schlage aus. Wenn man die normalen Elemente des Uranus hatte, musste sich da nicht aus den beobachteten Störungen, aus Bahnen, Geschwindigkeiten und Anziehungskräften zwischen Sonne und Planeten der Ort des unsichtbaren Weltkörpers errechnen lassen?
Dutzende, meist junge Astronomen, machten sich an die Arbeit. Die älteren schwiegen; sie hielten nicht viel von jugendlichen Phantastereien. Wer garantierte auch dafür, dass sich monatelange mathematische Arbeit überhaupt lohnen würde? Zuletzt blieben nur zwei Astronomen übrig, der Engländer Adams und der Franzose Leverrier. Aber auch Adams schied bald aus; man wies seine Arbeiten höflich aber entschieden zurück. Leverrier stand allein. Sollte auch er das große Ziel, die Frucht jahrelanger Mühen preisgeben? Er zögerte. Misslang der große Wurf, dann wurde er zum Gespött der Welt. Da kam ihm der Gedanke, den Berliner Astronomen Galle aufzufordern, nach dem fremden Stern an der Stelle, die er, Leverrier, errechnet hatte, zu suchen.
Des weltweiten Gedankens bewusst, griff Galle den Plan entschlossen auf. Nacht für Nacht richtete, er seine Teleskope auf die Tiefen des Weltalls. Der Erfolg schien auszubleiben. Aber zäh verfolgte der Berliner seine Aufgabe. Gerade kamen die neuen akademischen Sternkarten aus der Druckerei. Galle fieberte, als er am 23. September 1846 das entscheidende Blatt in die Hand bekam und mit ihm ans Fernrohr eilte. Noch ehe der neue Tag graute, hatte er, was er, was die Welt seit Jahrzehnten suchte: der Störenfried war, kaum einen Grad von der von Leverrier bezeichneten Stelle entfernt, gefunden, das Rätsel gelöst, der geheimnisvolle Schleier gefallen. Neptun war entdeckt! Die glänzendste Tat auf astronomischem Gebiet war vollbracht. Es war der größte Triumph, den rechnerischer Scharfsinn je gefeiert. Beobachtende und rechnende Astronomie reichten einander die Hand.“ (Auszug aus: Werner Heybrock, Die Entdeckung des Planeten Neptun, in Zeit online)