Riechen

Wir Menschen atmen etwa 24.000-mal am Tag ein. Im Gegensatz zum Hörsinn und Sehsinn schläft der RIECHSINN nie. Pausenlos saugt unsere Nase Geruchs-Moleküle ein. Die größte Genomgruppe des Menschen, etwa ein Prozent der Gene, dient dem Geruchssinn. Forscher nennen ihn unseren Ur-Sinn. Das Riechhirn, wo die Geruchsmoleküle entschlüsselt werden, ist direkt mit dem limbischen System verbunden. Hier entstehen Erinnerungen und Emotionen. Deshalb ist die unmittelbare Reaktion auf einen Geruch ein Gefühl. Die wesentliche Bedeutung des Geruchssinns belegt auch die Evolution: Er gilt als erste Sinneswahrnehmung überhaupt, die sich schon bei Einzellern ausbildete.

Jede duftende Substanz sondert Moleküle in die Luft ab. Diese Duft-Moleküle enthalten einen Code, der nur riechend entschlüsselt werden kann. Durch die Nase landet das Duftmolekül auf der Riechschleimhaut, wo sich 350 verschiedene Rezeptoren befinden, die wie komplexe Zahlenschlösser funktionieren. Jeder Rezeptor ist auf ein bestimmtes Duftmolekül spezialisiert. Die meisten Gerüche sind komplexe Kombinationen. Kaffee zum Beispiel enthält etwa 100 verschiedene Düfte.

Theoretisch kann unser Geruchssinn über eine Billion verschiedener Düfte auseinanderhalten, wie der Wissenschaftler Andreas Keller von der Rockefeller University in New York im Fachjournal „Science“ schreibt. Das sind deutlich mehr als bislang bekannt. Bisher waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass die Nase 10.000 Gerüche unterscheiden kann. Das Gehör erkennt Schätzungen zufolge etwa 340.000 unterschiedliche Töne. Die Augen können 2,3 bis 7,5 Millionen Farben unterscheiden. Die Nase kann also weit mehr Reize wahrnehmen.

  • Bettina M. Pause, Alles Geruchssache. Wie unsere Nase steuert, was wir wollen und wen wir lieben, Piper Verlag, München 2020

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