Schlaf

Wie die meisten anderen Lebewesen brauchen auch wir Menschen die Dunkelheit. Der regelmäßige Wechsel von Wachsein und SCHLAFEN – unser täglicher Lebensrhythmus – ist nichts anderes als der hormonelle Ausdruck der regelmäßig wechselnden Lichtverhältnisse auf der Erde. Dieser Rhythmus ist für unser biologisches Dasein von grundlegender Bedeutung. Ihn ändern zu wollen würde einer Manipulation der Schwerkraft gleichkommen. Neugeborene schlafen in den ersten Lebensmonaten 18 Stunden am Tag. Erwachsene benötigen laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) im Durchschnitt sieben bis acht Stunden Schlaf, um erholt zu sein. Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: „Verschlafe die eine Hälfte des Lebens, dann erlebst du die andere Hälfte doppelt.“ Ein US-Forschungsteam, das erstmals die Auswirkungen von Schlafmangel bei Grundschulkindern untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass Kinder, die regelmäßig weniger als neun Stunden Schlaf pro Nacht bekommen, häufiger unter schweren psychischen Problemen und Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit leiden als Gleichaltrige, die neun bis zwölf Stunden schlafen.

Der Schlaf verläuft in Zyklen, in denen sich REM-Schlaf und Non-REM-Schlaf abwechseln. Die Abkürzung REM steht für „rapid eye movement“ (schnelle Augenbewegung). Häufig träumen wir in dieser Phase. Damit wir uns dabei nicht verletzen, ist die Muskulatur quasi abgeschaltet. Non-REM-Schlaf schenkt erholsamen Tiefschlaf. Das Herz schlägt langsamer, die Körpertemperatur sinkt. Die Hirnanhangdrüse schüttet Wachstumshormone aus, die die Regeneration unterstützen. Schlaf spielt auch eine wichtige Rolle bei der Verknüpfung von Nervenzellen im Gehirn. Neu Gelerntes verfestigt sich, weniger Relevantes wird gelöscht. Die Forschung zeigt auch, dass im Schlaf schädliche Stoffwechselprodukte wie Eiweißreste aus dem Gehirn abtransportiert werden.

„Schlaf ist eine der wenigen verbliebenen Erfahrungen, in denen wir uns, ob bewusst oder nicht, der Fürsorge anderer überlassen. So einsam und privat er erscheinen mag, er ist nicht abgetrennt von einem zwischenmenschlichen Gefüge des Vertrauens und Unterstützens, mögen auch viele dieser Bindungen noch so sehr beschädigt sein. Er ist eine periodische Befreiung von der Individuation – eine nächtliche Auflösung des losen Gewirrs oberflächlicher Subjektivitäten, die man bei Tage bekleiden und organisieren muss. In der Entpersonalisierung des Schlafs bewohnt der Schlafende eine gemeinsame Welt, in einem allgemein geteilten Rückzug aus der fatalen Sinnlosigkeit und Vergeudung des Rund-um-die-Uhr-Betriebs. (…) Schlaf ist eine Form der Zeit, die uns zu etwas anderem hinführt als zu den Dingen, die wir besitzen oder begehren sollen.“ (Jonathan Crary, 24/7. Schlaflos im Spätkapitalismus. Aus dem Englischen von Thomas Laugstien, Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2014, S. 104f.)

 Am Freitag vor der Tagundnachtgleiche im März findet der Weltschlaftag statt.


RSS