Sehen

Die Verbindung zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt wird durch die Sinnesorgane hergestellt, die sich im Zuge der Evolution bei allen Arten vielfältig ausgeprägt haben. Der Mensch ist ein Augentier. Hören, riechen, schmecken und tasten sind für ihn weniger wichtig als optische Reize, die ihm die meisten Informationen über die Außenwelt liefert. Bis zu 80 Prozent seiner Sinneseindrücke gewinnt er über die Augen. Ein großer Teil seines Gehirns ist daher mit der „Bildverarbeitung“ beschäftigt. 600 Millionen Jahre ist es her, dass Augen das Licht der Welt erblickten. Im Laufe der Zeit wurden sie so komplex, dass selbst Darwin unsicher war, ob dieses Meisterstück der Evolution tatsächlich allein durch natürliche Auslese und spontane Mutation entstanden sein könne. Das ist mittlerweile belegt.

Die Fähigkeit, die Welt in voller Farbenpracht zu sehen, ist auf Affen und Menschen beschränkt. Experten datieren die Entstehung des Farbsehens bei den Vorfahren der Primaten etwa 40 Millionen Jahre zurück. Es befähigt Affen und Menschen, auch die langen Wellenlängen des Lichts wahrzunehmen, also rote Farben zu sehen. Farbe ist „eine jeglichem Ding entströmende Flamme“, wie der Philosoph Platon nach langem Grübeln festgestellt hat. Doch er hat nur teilweise Recht. Tatsächlich haben die Gegenstände, die wir sehen, keine Farben. Und es muss erst Licht auf sie treffen, damit sie – in welcher Farbe auch immer – zurückstrahlen können. Weißes Sonnen- oder Kunstlicht besteht eigentlich aus einem riesigen Band unsichtbarer elektrischer Wellen, wobei jede Wellenlänge vom Auge in eine bestimmte Farbe übersetzt wird. Kurze Wellen gehen ins Blau, lange, energiegeladene ins Rot. Sichtbar wird das, wenn man einen Sonnenstrahl durch ein Glasprisma schickt und ihn so in die Spektralfarben aufbricht. Ähnliches passiert beim Regenbogen. Je nach Beschaffenheit wird von einer Fläche nur eine Wellenlänge zurückgestrahlt, während der Rest absorbiert, also geschluckt wird. Was wir dann über unsere Augen und Nervenbahnen ans Gehirn melden, wird erst in dessen Sehzentrum nach einer Berechnung sämtlicher Farbwerte beispielsweise zu einem bunten Blumenstrauß zusammengesetzt.


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