Zum 1. August 1914

Tagungsort war das „Inselhotel“ in Konstanz. In dem ehemaligen Dominikanerkloster war der böhmische Reformator Johannes Hus inhaftiert, als 1414 das Konstanzer Konzil tagte. 500 Jahre später wollten Protestanten dort „ein zweites Konzil von Konstanz“ abhalten und eine internationale christliche Friedensorganisation gründen. In einer Nachtsitzung kurz vor dem durch den Beginn des Ersten Weltkriegs erzwungenen Abbruch des Kongresses hatte die Konferenz noch mehrere Resolutionen beschlossen: Die Kirchen sollen auf ihre Völker, Parlamente und Regierungen einwirken, einen „Zustand gegenseitigen Vertrauens“ zu schaffen, „den zu erstreben, das Christentum die Menschheit gelehrt hat“. In jedem Land sind Ausschüsse einzurichten, die die Kirchen dafür gewinnen sollen, „die internationale Freundschaft zu fördern“ und die Kriegsgefahr abzuwenden. Am 6. August bildeten die in London versammelten englischen und amerikanischen Konferenzteilnehmer den in Konstanz beschlossenen „Vorläufigen Internationalen Ausschuss“. Die Organisation erhielt den Namen „The World Alliance of Churches for Promoting International Friendship“, auf Deutsch etwas unscharf mit „Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen“ wiedergegeben. Heute ist der Weltbund, der sich 1948 auflöste, weitgehend vergessen. (Aus: Jürgen Wandel, Das vergessene Konzil von Konstanz, in: Zeitzeichen 8/2004, S. 12–15)

Konstanz, August 1914. Einer der im Inselhotel versammelten Tagungsgäste, Frederick Lynch aus den USA, schreibt: „Draußen waren Deutsche, Franzosen und Engländer im Begriff, gegeneinander zu kämpfen; hier knieten Deutsche, Franzosen und Engländer im Gebet. Draußen riefen die Leute nach Blut; hier beteten Repräsentanten aus zwölf Völkern um wachsende Liebe füreinander.“ Mit der Gründung des „Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen“ rückten die Teilnehmenden ihren eigenen Kirchen „Frieden“ als eine zentrale Aufgabe in den Blick. Freilich, wann und auf welche Weise ihre (Staats-) Kirchen „Frieden“ wirklich als zentrale Aufgabe ausfüllen wurden, das stand noch in den Sternen.
Deshalb bekam der Handschlag zwischen Henry Hodgkin und Friedrich Siegmund-Schultze am 3. August 1914 auf dem Kölner Hauptbahnhof eine ganz eigene Bedeutung. Friedrich Siegmund-Schultze schrieb dazu: „Je stärker im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen die kirchlichen Behörden mitarbeiteten, die ihrerseits die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden nicht vermeiden konnten, und je mehr in der ökumenischen Arbeit mancher Länder nationalistische Einflösse sich geltend machten, desto dringender wurde die Notwendigkeit, dass eine von nationalistischen Einflüssen unabhängige, ganz auf die neutestamentliche Haltung gegründete Vereinigung die radikale Verpflichtung der Christen zur Friedensarbeit in Wort und Werk verkörperte.“ (Aus: Eberhard Bürger, Hundert Jahre Versöhnungsbund, in: Versöhnung, Rundbrief des Internationalen Versöhnungsbunden 3/2014, S. 11)

Vgl. auch 3. August.


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