Zum 19. März 1973
“Es ist die Zeit der lateinamerikanischen Diktaturen: 1973 übernimmt das Militär in Uruguay die Macht, General Augusto Pinochet putscht in Chile. In Brasilien regieren bereits die Generäle. Dort verhaften Geheimpolizisten das KP-Mitglied Luiz Basilio Rossi. Die Londoner Amnesty-Zentrale erfährt davon. ‘Wir brauchen schnelle Aktionen für Gefangene in Gefahr’, reagiert die Brasilien-Spezialistin Tracey Ullveit-Moe. Die Einzelheiten werden aufgeschrieben und am 19. März an Amnesty-Mitglieder verschickt. Kurz darauf senden Aktivisten aus aller Welt Briefe an die brasilianische Regierung und fordern Rossis Freilassung. Als dessen Frau gebeten wird, die Leiche ihres Mannes zu identifizieren, erlebt sie ein Wunder: Rossi ist nicht tot. ‘Ihr Mann muss wesentlich bekannter sein, als wir gedacht haben’, sagen die Beamten und zeigen ihr die vielen Briefe, die bei der Geheimpolizei eingegangen waren. Der Kommunist wird bald feigelassen, und die ‘Urgent Action’, das erfolgreichste Instrument, ist geboren.
Heute sind die Eilaktionen eines der wichtigsten Instrumente der Menschenrechtsorganisation. Über ein Netzwerk, an dem fast 80.000 Personen in 85 Ländern beteiligt sind, versucht Amnesty jährlich in mehr als 300 Fällen durch ‘Urgent Actions’ einen Grad von Prominenz herzustellen, der das Los eines Opfers staatlicher Gewalt mindestens erleichtert. Nicht immer kommt ein Häftling frei, aber oft verbessert sich die Versorgung, hören Misshandlungen auf, werden Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt. ‘In 30 bis 40 Prozent der Fälle erreichen wir irgendeine Verbesserung’, sagt AI-Sprecher Dawid Bartelt.” (Frankfurter Rundschau vom 20.3.2006)
Etwa ein Drittel der Urgent Actions zieht positive Meldungen nach sich: Freilassungen, Hafterleichterungen, die Aufhebung von Todesurteilen oder auch Anklagen gegen die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen.
45 Jahre nach der Geburtsstunde der Urgent Action gab es bereits 15.000 Eilaktionen für Menschen aus aller Welt.