Zum 22. April 1945
Käthe Kollwitz wird zu den bedeutendsten deutschen Künsterinnen des 20. Jahrhunderts gezählt. Mit vielen ihrer Werke wandte sie sich gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit. Die Uraufführung der „Weber“ am 26. Februar 1893 markierte ihren künstlerischen Neubeginn. Es war die Geburtsstunde der Künstlerin als Sozialkritikerin. Auf der Großen Berliner Kunstausstellung vom 28. April bis 16. Oktober 1898 präsentierte sie ihren Zyklus „Ein Weberaufstand“.
„Käthe Kollwitz´ entscheidender und unverwechselbarer Beitrag zur deutschen Kunst besteht darin, dass es ihr, der Künstlerin bürgerlicher Herkunft, gelang, tief empfundenes soziales Engagement und daraus resultierende Aufrufe zur Verbesserung misslicher Zustände überzeugend in eine weitgehend populäre und ganz eigene Bildsprache von großer Eindringlichkeit umzusetzen. ‚Nie habe ich meine Arbeit kalt gemacht, sondern immer gewissermaßen mit meinem Blut. Das müssen die, die sie sehen, spüren‘ und das können die, die sie heute sehen, auch noch spüren. Deshalb ist das Werk von Käthe Kollwitz immer noch so hochaktuell.“ (Aus einem Ausstellungsflyer)
Ihr Plakat Nie wieder Krieg wurde zu einer Ikone der Friedensbewegung.
Es war ein für sie bitteres Ende: Die charismatische Berliner Zeichnerin, Bildhauerin und Kriegsgegnerin Käthe Kollwitz saß alt, schwach, illusionslos und mit trüben Augen nur noch am Turmfenster ihres winzigen sächsischen Exils auf dem Rüdenhof nahe Schloss Moritzburg. Und sie beobachtete stumm die über die Moritzburger Teiche (jene, an denen die Brücke-Expressionisten einst ihre freie, „wilde“ Kunst kreierten) ziehenden, vom Aprilwind gejagten Wolken.
Mit letzter Kraft setzte die 77-Jährige die grandiosen, dem Desaster unten auf der Erde gegenüber gleichgültigen Wolken-Formationen aufs Papier. Sie notierte ins Tagebuch jene Briefzeile, die einst, 1779, Goethe an den Freund Lavater geschrieben hatte: „Aber unsere partikularen Religionen wollen wir ungeduldet lassen. Ich bin aus der Wahrheit der fünf Sinne.“
Am 22. April 1945, 17 Tage vor der Kapitulation Hitlerdeutschlands, starb die Kollwitz nahe dem zerstörten Dresden, getrennt von der Familie und ihren von den Nazis verfemten Bildwerken, in denen es immer um eines ging: um das Leben, gegen Krieg und Gewalt. Diese Kunst bezog ihre Kraft aus dem Mut der Verzweiflung, aus dem Widerstand gegen die Nazis.
Das Berliner Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße Nr. 24 zeigt, wie auch die große Museumsschwester in Köln, seit vielen Jahren, wie sehr diese Kunst durchdrungen ist von der „Kraft der Schwachen“, wie die Schriftstellerin Anna Seghers es einmal schrieb.
Längst hat Berlin die Künstlerin, die einst die Preußische Akademie der Künste mit ihrem humanistischen Credo prägte, die für die Nazis eine „Entartete“ war und die noch viel zu lange nach dem Krieg nur als „proletarisch-revolutionäre“ Künstlerin in arg verengter Perspektive gesehen wurde, einen Preis mit ihrem Namen gewidmet. Eine intensive Neubewertung ihrer Kunst erfolgte, als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl einen Abguss einer Bronzepietà in Übergröße in die Berliner Neue Wache, die Zentrale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, stellen ließ.
Der Nachlass der Frau eines Armenarztes aus dem einstigen Proletenviertel Prenzlauer Berg wird hoch geachtet. Auch ihr Ausspruch „Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in meiner Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“, wird heute in seiner ganzen tiefsinnigen und brandaktuellen Tragweite begriffen. Und von verantwortungsbewussten Künstlern, alten wie jungen, beherzigt.
(Ingeborg Ruthe, Die Wahrheit der fünf Sinne, in: Frankfurter Rundschau vom 22. April 2015)
Zitate:
Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. (Tagebuch, 1922)
Nie habe ich eine Arbeit kalt gemacht, sondern immer gewissermaßen mit meinem Blut. Das müssen die, die sie sehen, spüren.
Das Käthe Kollwitz Museum Köln beherbert die umfangreichste und geschlossenste Kollwitz-Sammlung der Welt. Das Kölner Museum die wichtigste Einrichtung zur Käthe-Kollwitz-Forschung weltweit.
Ein weiteres Zentrum ist das Käthe-Kollwitz-Museum Berlin.
Literatur:
- Yvonne Schymura, Käthe Kollwitz. Die Liebe, der Krieg und die Kunst. Eine Biographie, Verlag C.H.Beck, München 2016
- Käthe Kollwitz, Ich sah die Welt mit liebevollen Blicken. Ein Leben in Selbstzeugnissen, herausgegeben von Hans Kollwitz, Marix Verlag, Wiesbaden 2017