Zum 25. Januar 1871
Wilhelm Weitling war Frühsozialist mit christlichen Überzeugungen. Er initiierte den Bund der Gerechten, welcher als Vorläufer und Keimzelle der späteren sozialistischen und kommunistischen Parteien Europas und der Welt gilt.
„Christus ist ein Prophet der Freiheit“, hatte er im „Evangelium des armen Sünders“ geschrieben, „seine Lehre die der Freiheit und Liebe.“ Die Religion müsse deshalb „nicht zerstört, sondern benützt werden, um die Menschheit zu befreien“. Leider sei Gewalt nötig, um eine Gesellschaftsordnung auf der Basis von Nächstenliebe und Gütergemeinschaft aufzurichten. „Jesus hat keinen Respekt vor dem Eigentum“, davon war Weitling überzeugt. „Der Kommunismus ist die auf alle Menschen in den gleichen Verhältnissen ausgedehnte Gerechtigkeit, folglich begeht jeder Arbeitsfähige, der mehr genießt und weniger schafft als Andere, gegen diese ein Unrecht, einen Diebstahl, folglich kann sich ein jeder (…) von denjenigen bestohlen betrachten, die mehr genießen und weniger arbeiten als er, folglich hat ein Jeder das Recht, das Gestohlene zurückzunehmen“.
Die Welt wird zu einem Garten, die Menschheit zu einer Familie.
Die Vision Wilhelm Weitlings.
Eine Erinnerung an seinen 200. Geburtstag
Von Reinhard Gaede
Wenn „die Trompeten und Sturmglocken zum jüngsten Gericht rufen“, wird das betrogene, aber gutmütige Volk von seinem Schlaf aufwachen. Die Einheit wird „die Standarte der Nächstenliebe“ aufpflanzen. „Die Welt wird sich in einen Garten und die Menschheit in eine Familie verwandeln.“ So endet die Vision des demokratischen Sozialisten Wilhelm Christian Weitling.
Seine Schrift „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“ wird 1838 das Programm des 1836 gegründeten Bundes der Gerechtigkeit. Es bewahrt die Forderungen der Demokratie-Bewegung und erweitert sie durch das Postulat einer Wirtschaftsordnung, die auf Gemeineigentum gegründet ist: „Die Namen Republik und Konstitution, /so schön sie sind, genügen nicht allein; / Das arme Volk hat nichts im Magen, / nichts auf dem Leib und muss sich immer plagen; / drum muss die nächste Revolution / soll sie verbessern, eine soziale sein.“
Wilhelm Weitling ist der erste deutsche Sozialist, der soziale Rechte für alle einfordert: Recht auf Arbeit, Bildung und Ausbildung, auf staatliche Kranken-, Kinder und Altersversicherung, der erste Sozialist, der für die Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau wirbt. Er ist der Pionier der Arbeiterpresse in der Schweiz, in Deutschland und in den USA. Er entwickelte den Typ des Arbeiterbildungsvereins, der eine Erziehung zur Demokratie und Solidarität pflegt. Die Vereine sind in einem geheimen Netz verbunden.
Das Urbild des sozialistischen Menschen sieht W. Weitling in Jesus von Nazareth. In seiner Schrift „Das Evangelium eines armen Sünders“ (1844) sieht er in Jesus, dem „revolutionären Zimmermann“, das „Prinzip der Freiheit und Gleichheit“ verwirklicht. Er vermeidet es bald, seine Bestrebungen kommunistisch zu nennen, möchte mit solchen nicht verwechselt werden. Er betont die persönliche Freiheit jedes Menschen; sie darf nur nicht die Freiheit aller übrigen verhindern.
W. Weitling wird 1808 in Magdeburg als uneheliches Kind eines Dienstmädchens und eines französischen Offiziers geboren. Nach einer Schneiderlehre wandert 1826 er nach Hamburg, Leipzig, Dresden, Wien Paris und wieder Wien. 1835 schließt er sich dem „Bund der Geächteten“ an, 1838 avanciert er in die Zentralleitung des „Bundes der Gerechten“, der aus einer Abspaltung hervorgegangen war. Wandernde Handwerksburschen verbreiteten seine Lehren. 1842 entsteht sein Hauptwerk „Garantien der Harmonie und Freiheit“. In Zürich werden seine Schriften beschlagnahmt, zehn Monate Haft und Deportation schwächen ihn und seine Bewegung. Karl Marx kritisiert W. Weitlings „religiöse Tändeleien“.
Seit 1846 ist Nordamerika sein Wirkungsfeld. Hier gründet er einen „Befreiungsbund“. Noch einmal kehrt er 1848 nach Deutschland zurück und gibt in Berlin die Zeitschrift „Der Urwähler. Organ des Befreiungsbundes“ heraus; nach dem Scheitern der demokratischen Revolution flüchtet er wieder in die USA. Ab 1850 gibt er die Zeitschrift „Republik der Arbeiter“ heraus und gründet 1851 in Iowa die Kolonie „Communia“, die aber 1854 scheitert.
Er heiratet im Alter von 46 Jahren Caroline Toedt; das Ehepaar hatte 6 Kinder. Erfindungen in seinem Handwerk brachten keinen Gewinn; die Firma Singer baute seine Knopfloch-Nähmaschine nach. Die 500 Dollar-Entschädigung lehnt er ab. In ärmlichen Verhältnissen stirbt er 1871 in New York.
CuS. Christin und Sozialistin. Christ und Sozialist. Kreuz und Rose. Blätter des BRSD 4/2008, S. 30–31
Vgl. auch: August Rathmann: Liebe und Gerechtigkeit: Wilhelm Weitling, CuS 3/1988, S. 15–23 (Seite 15 / Seite 16–17 / Seite 18–19 / Seite 20–21 / Seite 22–23)