Zum 26. April 1998

„Zwei Tage zuvor hatte Gerardi den Bericht des interdiözesanen Projektes ‚Wiedergewinnung der geschichtlichen Wahrheit’ (REMHI) der Öffentlichkeit vorgestellt, der die Streitkräfte stark belastete [Titel: „Nunca Más“ (Nie wieder)]. Erstmals wurden hierin detailliert die Opfer, das Leiden und die Verantwortlichen für die schätzungsweise 200.000 Toten des 36 Jahre währenden Bürgerkrieges in Guatemala geschildert. Die Mehrheit der Opfer waren unschuldige Bauern, meist Indianer, deren ‚Verbrechen’ darin bestand, sich zu organisieren oder auch nur ein gewisses Maß an Bildung erreicht zu haben. Für etwa 90 Prozent der Morde und Grausamkeiten sind das Militär bzw. die von ihm kontrollierten und befehligten ‚Zivilpatrouillen’ verantwortlich.
Der Mord an Bischof Gerardi erregte breite internationale Aufmerksamkeit und führte zu einem Druck auf die guatemaltekischen Behörden, den Fall aufzuklären. Im Juni 2001 wurden drei Offiziere zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Es war die erste Verurteilung von Angehörigen des Militärs in Guatemala wegen Menschenrechtsverletzungen.“
(Aus: Eckart Finsterer, Noch viele unerfüllte Hoffnungen. Vor fünf Jahren wurde Bischof Gerardi in Guatemala ermordet, in: Misereor aktuell 2/2003, S. 17)

In der überfüllten Kathedrale von Guatemala-Stadt hatte Juan Gerardi unter den Augen der Weltöffentlichkeit folgenden Satz gesagt, der ihm keine 48 Stunden später das Leben kosten sollte: „Wir können belegen, dass die guatemaltekische Armee mehr als 80 Prozent der Toten des Bürgerkrieges zu verantworten hat.“

Im Jahr 2010 wird Byron Disrael Lima Estrada, zu zwanzig Jahren Haft verurteilter Mörder Gerardis, zwölf Jahre nach der Tat wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Kirche kritisiere die Entscheidung des Gerichts scharf, erklärte Nery Rodenas, Direktor des Menschenrechtsbüros der Erzdiözese.

 

Al Buen Pastor, Gerardi, martir de al Memoria

Dein Tod, guter Hirte, war nicht umsonst.
Unter der Führung deines Beispiels werden wir dir folgen,
Wahrheit und Gerechtigkeit schmieden,
dem erstickten Lied eine Stimme geben,
den wandernden Menschen Hoffnung geben,
der Herrschaft der Armen Licht geben.
Die Schatten der Mächtigen – Macht und Betrug –
versuchen vergebens, dein Angesicht zu verdunkeln.
Du aber bist im vollen Licht,
deutlich zu sehen,
an der Grenze des Friedens;
du bist die lebendige Kirche,
das neue Guatemala.

Pedro Casaldáliga (Brasilien)


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