Zum 28. Oktober 1886

Vor tausenden Zuschauern weiht der damalige US-Präsident Grover Cleveland auf dem Liberty Island im Hafen von New York die Freiheitsstatue ein; sie wurde zu einer Ikone für Freiheit und Bürgerrechte weltweit.

Die Freiheitsstatue (Statue of Liberty, offiziell: Liberty Enlightening the World, auch Lady Liberty) ist ohne Sockel 46 Meter hoch. „Lady Liberty“ trägt ein Gewand, hat in der linken Hand eine Tafel mit der Inschrift JULY IV MDCCLXXVI, dem Datum der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776, und streckt die rechte Hand mit einer Fackel in die Höhe. Auf dem Kopf trägt sie eine Krone mit sieben Zacken – für jeden Kontinent oder für die sieben Weltmeere eine. Sie steht nicht, sie geht. Ihr rechter Fuß ist angehoben. Um die Füße herum sind zerbrochene Ketten als Symbol der Befreiung.

Eine Bronzetafel mit dem Sonett „The New Colossus“, das Emma Lazarus 1883 als Beitrag zu einer Kunstsammlung verfasste, die Geld für den Bau des Podests der Freiheitsstatue in New York sammeln sollte, befand sich ursprünglich (seit 1903) außen am Podest der Freiheitsstatue. Bis zur Renovierung 1986 hing sie im Innern des Sockels, seither befindet sie sich in der Basis im Statue of Liberty Museum. Das Gedicht ist ein Manifest der Freiheit und ein Willkommensgruß an die Millionen von Einwanderern, die an der Statue vorbei in die USA kamen. Der Titel und die beiden ersten Zeilen beziehen sich auf den Koloss von Rhodos, eines der Sieben Weltwunder.

Not like the brazen giant of Greek fame
With conquering limbs astride from land to land
Here at our sea-washed, sunset gates shall stand
A mighty woman with a torch, whose flame

Is the imprisoned lightning, and her name
Mother of Exiles. From her beacon-hand
Glows world-wide welcome; her mild eyes command
The air-bridged harbor that twin cities frame.

„Keep, ancient lands, your storied pomp!“ cries she
With silent lips. „Give me your tired, your poor,
Your huddled masses yearning to breathe free,
The wretched refuse of your teeming shore.

Send these, the homeless, tempest-tossed to me:
I lift my lamp beside the golden door.“

Nicht wie der metallene Gigant von griechischem Ruhm,
Mit sieghaften Gliedern gespreizt von Land zu Land.
Hier an unserem meerumspülten hesperischen Tore soll stehen
Eine mächtige Frau mit Fackel, deren Flamme

Der eingefangene Blitzstrahl ist, und ihr Name
Mutter der Verbannten lautet. Von ihrer Leuchtfeuerhand
Glüht weltweites Willkommen, ihre milden Augen beherrschen
Den luftüberspannten Hafen, den Zwillingsstädte umrahmen.

„Behaltet, o alte Lande, euren sagenumwobenen Prunk“, ruft sie
Mit stummen Lippen. „Gebt mir eure Müden, eure Armen,
Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren,
Den elenden Unrat eurer gedrängten Küsten;

Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen,
Hoch halt ich mein Licht am goldnen Tore.

Bereits seit der Zeit um 1900 wird die Insel im New Yorker Hafen „Liberty Island“ (Freiheitsinsel) genannt, doch erst am 3. August 1956 ließ Präsident Dwight D. Eisenhower sie offiziell entspechend umbenennen.

  • Georges Perec, Ellis Island. Übersetzt von Eugen Helmlé, Diaphanes Verlag, Zürich 2016

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