Zum 30. Oktober 2016
Zwei Anmerkungen zum Umgang mit der Jesus-Tradition in dieser von der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebenen und als maßgeblichen Text zum kirchlichen Gebrauch empfohlenen revidierten Fassung der Lutherbibel:
Sehr erfreulich:
Der Wortlaut der Einladung zum großen Festmahl in Lukas 14,17 ist entsprechend dem ältesten erreichbaren Überlieferungsstadium (ἔρχεσθε, ὅτι ἤδη ἕτοιμά ἐστιν) endlich korrekt wiedergegeben: „Kommt, denn es ist schon bereit!“ Martin Luther hatte aufgrund der relativ jungen Handschriften, die ihm zur Verfügung standen, übersetzt: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Gerade das „schon“ (ἤδη) ist nicht nur für das Verständnis dieses Gleichnisses von der Einladung zum großen Festmahl (Lukas 14,16–21) von grundlegender Bedeutung, sondern bringt die Jesusbotschaft selbst auf den Punkt: Nicht erst in der Zukunft, irgendwann einmal, sondern hier schon und jetzt schon können und sollen wir am Reich Gottes (= am großen Festmahl) teilhaben, steht uns das gute, das richtige Leben offen.
Näheres zum Schicksal dieses so wichtigen „schon“ erfahren Sie hier.
Höchst bedauerlich:
Gerdezu konterkariert wird jene Richtigstellung durch die Verfälschung der Proklamation der Gegenwart des Reiches Gottes in Markus 1,15 (πεπλήρωται ὁ καιρὸς καὶ ἤγγικεν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ). Hatte Martin Luther noch grundsätzlich zutreffend übersetzt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen“ (wörtlich wiedergegeben, hätte es heißen müssen: „Erfüllt ist die Zeit, gekommen ist das Reich Gottes“, die in ungewöhnlicher Weise vorangestellten Zeitwörter heben noch einmal – zusätzlich zu ihrem Tempus [Perfekt statt Aorist] – die Präsenz des Reiches Gottes hervor), so heißt es jetzt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.“ Jenes fatale „nahe“ verfälscht, ja zerstört die zentrale Intention des ganzen Verses („Erfüllt ist die Zeit, gekommen ist das Reich Gottes. Kehrt um und glaubt an das [= an dieses] Evangelium!“), macht den Kern der Jesusbotschaft, die im Neuen Testament ohnehin so gut wie keine Rolle mehr spielt, gleich hier, zu Beginn des Markusevangeliums, schlagartig unsichtbar.
Ausführlicheres dazu findet man in Kapitel 6 des Basiskurses Basileiologie.