Predigt von Pfarrer Kuno Hauck über Römer 11, 33-36
33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? 35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm vergelten müsste«? 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen. (Römer 11, 33-36)
Liebe Gemeinde,
da staunte ich nicht schlecht, als ich letzte Woche das kleine Kirchlein aus dem 12. Jahrhundert, in Urschalling am Chiemsee, besuchte und in der linken oberen Ecke des Chorraums dieses Deckenfresko entdeckte. Eine besondere Darstellung der Trinität, wie ich sie bis dato nicht gesehen hatte. Ein Bild, das ich heute am Sonntag Trinitatis, am Sonntag der Dreieinigkeit, in den Mittelpunkt stellen möchte.
Vater, Sohn und heiliger Geist, ja heilige Geistin, muss man sagen. Die eindeutigen femininen Züge der Person in der Mitte sowie andere feminine Hinweise, lassen eigentlich keinen Zweifel daran, dass hier eine heilige Geistin dargestellt ist.
Wenn man ein bisschen auf die Kirchengeschichte schaut, verwundert es einen nicht, dass derartige Bilder ganz wenig zu sehen sind, denn Papst Urban VIII., 1623 zum Papst gewählt, verbot erstmals antropomorphe, d.h. menschengestaltige Darstellungen des Heiligen Geistes und Papst Benedikt XIV. verfügte dann später in seinem Dekret „Sollicitudine nostrae“ aus dem Jahr 1745, dass der Hl. Geist bei Einzeldarstellungen nur noch in Gestalt einer Taube dargestellt werden durfte.
Diese Darstellung der Trinität kann uns heute am Sonntag Trinitatis tatsächlich eine Hilfe sein, die christliche Vorstellung der Dreieinigkeit ein Stück weit besser zu verstehen, oder vielleicht auch neu zu entdecken. Und wenn ich dieses Fresko betrachte, dann kommen mir auch die Worte des Paulus aus unserem Bibelwort in Römer 11 leicht über die Lippen: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis“.
Da sehen wir die Heilige Geistin, eingerahmt auf der rechten Seite von der väterlichen Gestalt Gottes, der Person mit dem grauen Bart, und von der bärtigen Gestalt auf der linken Seite, von der Sohngestalt Gottes.
Anders als in diesem Bild, wo Vater, Sohn und Heiliger Geist gleichrangig und gleichwertig nebeneinander stehen, spielt in unserem Glauben der Heilige Geist als eigene Persönlichkeit, oder an sich, keine gleichwertige Rolle. Wir besingen ihn und flehen ihn herbei, wie am Pfingstfest mit dem Lied: „Komm heiliger Geist“, aber dann verschwindet er wieder aus unserem Bewusstsein, um dann bei besonderes Anlässen wie Einführungen von Mitarbeitenden oder Ordinationen von Pfarrerinnen wieder hervorgeholt zu werden.
Im evangelischen Bereich beginnen auch unsere Gebete meist mit: „Guter Gott, Vater im Himmel oder lieber Herr Jesus“. Den Heiligen Geist rufen meist nur die Pfingstler und Charismatiker an und wer die heilige Geistin in einem Gebetsanruf in den Mund nimmt, erntet meist nur ungläubiges Kopfschütteln.
„O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis.“ Paulus schreibt diese Worte, nachdem er endlich die Antwort auf eine für ihn quälende Frage erhalten hatte. Die Frage, wie es sich mit der Errettung der Menschen jüdischen Glaubens verhält, nachdem sich Gott in Jesus Christus nicht mehr exklusiv den Juden, sondern der ganzen Welt zugewandt hatte. Davon erzählt er im 10. Kapitel des Römerbriefes. Nachdem er nun die Antwort gefunden hatte, konnte er erleichtert ein Loblied auf Gott anstimmen, das mit den Worten begann: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis.“
Immer wenn wir als Christen in einer schwierigen Frage eine Antwort erhalten, oder wenn sich in unserem Leben etwas Neues erschließt, dürfen auch wir in dieses Lob einstimmen: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis“.
Mir ging es so, beim Besuch des Kirchleins in Urschalling, das mit der Darstellung der Trinität auf eine Seite Gottes hinweist, die in unserer Kirche viel zu kurz kommt: Auf die weibliche Seite Gottes.
Wo Gott nur Mann ist, da treten automatisch auch die typisch männlichen Tugenden in den Vordergrund, zumindest die, die in unserer Gesellschaft als typisch männlich gelten.
Der Krieger, der Herr, der Herrscher, der strenge Vater, der Richter, der Rächer usw. Letztlich ist unser Jesusbild auch von diesen Vorstellungen geprägt, von dem Menschen, der mutig und tapfer den Tod auf sich nimmt und sein Leben für seine Freunde gibt. Nicht zufällig findet sich ja diese Vorstellungen auch bei vielen Soldaten-Gedenktafeln. Wo sich unser Blick verengt und allein auf die männliche Seite Gottes sieht, geraten andere Eigenschaften Gottes in den Hintergrund oder in Vergessenheit.
Die weibliche Seite Gottes, die wir mit Begriffen wie Sanftmut, Geduld, Verständnis und Zärtlichkeit beschreiben können, hatte von Anfang an einen schweren Stand in unserem Glauben und in unserer Kirche. Obwohl das weibliche Element von Beginn der Schöpfungsgeschichte zumindest vom Namen her präsent war.
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut und die Ruach Gottes schwebte auf dem Wasser.“ Das weibliche hebräische Wort „Ruach“, die „Geistkraft“ Gottes, nicht „der“ Geist, ist im Alten Testament an vielen Stellen anzutreffen.
Andere zaghafte Ansätze finden sich im Alten Testament, wenn es z.B. bei Jesaja heißt: “Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“, oder in Psalm 131: „Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter.“
Mit der femininen Seite Gottes haben wir es als evangelische Christen scheinbar besonders schwer, weil katholische Christen zumindest in Maria eine starke Identifikationsmöglichkeit haben und vielleicht ist die starke Marienfrömmigkeit unserer katholischen Schwestern und Brüder auch ein Ausdruck der Suche nach dem femininen Gott.
Liebe Gemeinde, die Kunst, auch die christliche Kunst, hat es ja oft gewagt, Wege zu beschreiten, die sich den Theologen aufgrund gedanklicher Selbstzensur nicht aufgetan haben. Das Deckenfresko in der Sankt Jakobskirche in Urschalling ist so ein mutiger Schritt gewesen, die weibliche Seite Gottes buchstäblich ins Zentrum zu rücken. Die Heilige Geistin bildet hier die Mitte der Trinität, die heilige Geistin wird dargestellt als das Jugendliche in Gottes Antlitz.
Das Jugendliche begegnet uns als ein Ausdruck des Lebendigen und der Erneuerung. Das Mütterliche in Form der Heiligen Geistin als Hinweis auf die Seite Gottes, die neues Leben gebiert. Es ist die Seite Gottes, die treffend besungen wird: „Komm heiliger Geist mit deiner Kraft, die uns verändert und Leben schafft.“
Das bedeutet aber jetzt nicht, dass wir zukünftig das Männliche einfach gegen das Weibliche austauschen sollen. Gott lässt sich nicht festnageln auf einen Wesenszug, auf bestimmte Eigenschaften.
Es sind gerade die vielfältigen Erscheinungen Gottes in der Geschichte des Menschen mit seinem Gott, von denen uns die Trinität erzählt.
Gott ist als Vater und Mutter, als Schöpfer und Geistin von Anbeginn der Welt spürbar. Er spricht zu uns als Bruder und Schwester in den Erzählungen des Neuen Testamentes. Und er ist, solange es Menschen gibt, als Geist und Geistin in unseren Herzen und in unserem Leben erfahrbar.
„Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge!“
Amen