Ausbeuterische Kinderarbeit: Information
INFORMATION
DEFINITION
Kinderarbeit ist nach Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Arbeit, die ein Kind davon abhält, Kind zu sein, sowie Arbeit, die es seiner Entwicklungsmöglichkeiten und seiner Würde beraubt. Generell gilt bei der ILO 15 Jahre als Einstiegsalter für Arbeit, jüngere Kinder zwischen 13 und 15 Jahren dürfen leichte Arbeiten verrichten, sofern diese sie nicht von Bildung fernhalten. Die Vereinten Nationen zählen laut der ILO-Konvention 182 zu den „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“: Sklaverei und sklavenähnliche Abhängigkeiten, Zwangsarbeit einschließlich des Einsatzes von Kindersoldat*innen, Kinderprostitution und Kinderpornografie, kriminelle Tätigkeiten wie den Missbrauch von Kindern als Drogenkuriere sowie andere Formen der Arbeit, die die Sicherheit und Gesundheit der Kinder gefährden.
SITUATION
Einem zum Welttag gegen Kinderarbeit am 12. Juni 2021 veröffentlichten Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen Unicef zufolge ist die Zahl der Kinder in Kinderarbeit weltweit auf 160 Millionen gestiegen – das ist eine Zunahme um 8,4 Millionen Kinder in den letzten vier Jahren. Zwischen 2000 und 2016 war die Zahl der Mädchen und Jungen in Kinderarbeit noch um 94 Millionen gesunken. Die Zahl der jungen Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren in Kinderarbeit ist deutlich angestiegen, sodass diese Altersgruppe nun weltweit etwas mehr als die Hälfte der von Kinderarbeit betroffenen Kinder stellt. Die Zahl der Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren, die besonders gefährliche Arbeit verrichten – also Tätigkeiten, die ihre Sicherheit, körperliche oder seelische Gesundheit bedrohen – ist seit 2016 um 6,5 Millionen auf 79 Millionen gestiegen. Der Bericht „Child Labour: 2020 Global Estimates, trends and the road forward“ (Kinderarbeit: Globale Schätzungen, Trends und der Weg in die Zukunft) ist der erste gemeinsame ILO-Unicef-Bericht mit den neuesten Zahlen zur weltweiten Kinderarbeit.
Der zum Welttag gegen Kinderarbeit am 12. Juni 2019 vom Kinderhilfswerk Terre des Hommes veröffentlichten internationalen Studie zur Kinderarbeit zufolge arbeiten derzeit weltweit noch immer rund 150 Millionen Kinder, davon 72 Millionen unter extrem ausbeuterischen Bedingungen, zum Beispiel als Arbeitssklaven im Bergbau und in Steinbrüchen, auf pestizidverseuchten Baumwollfeldern oder als Dienstmädchen. Diese Kinder tragen häufig schwere körperliche und seelische Schäden davon, können nicht zur Schule gehen und haben praktisch nie Zeit zum Spielen.
„Kinderarbeit erlebt in den USA gerade einen besorgniserregenden Boom. Von 2015 bis 2022 haben sich die von den Behörden festgestellten Gesetzesverstöße vervierfacht. In diesem Jahr wurden bei Kontrollen 5792 illegal beschäftigte Minderjährige gefunden – eine nochmalige Steigerung um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein.“ (Aus: Karl Doemens, Comeback der Kinderarbeit, Frankfurter Rundschau vom 30. November 2023)
Am 11. Mai 2023 haben die Kinderrechtsorganisation Save the Children und deren gemeinnütziger Tochterorganisation The Centre for Child Rights and Business die Studie „Kinderrechtsrisiken in globalen Lieferketten: Warum ein Null-Toleranz-Ansatz nicht genug ist“ veröffentlicht mit dem Ergebnis, dass das Risiko von Kinderarbeit in globalen Lieferketten allgegenwärtig ist.
Die am 16. November 2017 verabschiedete Abschlusserklärung der vierten Weltkonferenz zur nachhaltigen Beseitigung der Kinderarbeit in Buenos Aires bedauerte in ihrer Abschlusserklärung, dass das für 2016 anvisierte Ziel der Abschaffung der schwersten Formen der Kinderarbeit nicht erreicht worden sei. Organisator des Treffens war die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Laut ihren Angaben arbeiten weltweit 152 Millionen Mädchen und Jungen. Mehr als 70 Prozent von ihnen seien in der Landwirtschaft tätig, 42 Prozent arbeiten unter gefährlichen Bedingungen. Die beispiellose Migrationswelle der vergangenen Jahre und die Ausbreitung der Krisenherde hätten außerdem die Zahl der Kinderarbeit ausgesetzten Mädchen und Jungen vielerorts vervielfacht. In Afrika sei die Zahl der arbeitenden Kinder in den vergangenen Jahren entgegen der allgemeinen Tendenz gestiegen. Lateinamerika sei die Region, die am stärksten die Kinderarbeit abgebaut habe.
Anlässlich der fünften ILO-Weltkonferenz zur Beseitigung von Kinderarbeit vom 15. bis 20. Mai 2022 veröffentlichte Terre des Hommes den Kinderarbeitsreport 2022. Der Bericht untersucht, wie sich die Lebensbedingungen von Kindern durch COVID-19 verändert haben und welche Maßnahmen für einen gerechten gesellschaftlichen Wiederaufbau aus der Sicht der Betroffenen erforderlich sind.
In DEUTSCHLAND ist Erwerbsarbeit für Kinder verboten. Für Jugendliche gelten besondere Regeln. Kinder sind nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz von 1976 Personen unter 15 Jahren. Für sie sind nur geringfügige Hilfeleistungen in der Familie, Praktika oder ab 13 Jahren leichte Tätigkeiten erlaubt, die weder Gesundheit, Sicherheit und Entwicklung schädigen noch den Schulbesuch beeinträchtigen.
Der zum Internationalen Tag gegen Kinderarbeit am 12. Juni 2024 unter dem Thema „Kinderarbeit? In Deutschland?“ veröffentlichte Kinderarbeitsreport 2024 zeigt jedoch, dass auch in Deutschland Kinder unter Bedingungen arbeiten, die ihre Entwicklung, Gesundheit, Sicherheit und Bildung beeinträchtigen.
BEISPIELE FÜR AUSBEUTERISCHE KINDERARBEIT
Laut einem am 15. Juni 2021 erschienenen Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeiten weltweit rund 18 Millionen Kinder im „informellen“ Müllsektor in den Ländern des globalen Südens, zu dem auch die Elektroschrott-Entsorgung gehört. Die Chemikalien und Gase, mit denen sie dabei in Kontakt kommen, sind eine große Gesundheitsgefahr.
Terre des Hommes hat anlässlich des Welttags gegen ausbeuterische Kinderarbeit am 12. Juni 2015 einen Report veröffentlicht, der den Blick auf die Mädchen und Jungen lenkt, die in der Thai Shrimp-Industrie täglich über zehn Stunden lang Garnelen für den Weltmarkt schälen.
Die schwerwiegendsten Verletzungen der Kinderrechte ereignen sich im Bergbau. Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes dokumentiert in seiner Studie Glück auf? Die Auswirkungen des Bergbaus auf Kinder. Unicef hat im Jahr 2014 geschätzt, dass in den Kobaltminen im Süden der Demokratischen Republik Kongo rund 40.000 Minderjährige beschäftigt sind. Die Kinder arbeiten bis zu zwölf Stunden täglich für einen Lohn von ein bis zwei US-Dollar.
Anlässlich des Internationalen Tags gegen Kinderarbeit 2021 macht Terre des Hommesauf Kinderarbeit bei der Gewinnung von Rohstoffen aufmerksam, insbesondere auf die Gewinnung des Minerals Mica, das wegen seiner isolierenden Eigenschaften in Computern, Handys, Autoteilen und Haushaltsgeräten gebraucht wird. In Indien und Madagaskar schürfen rund 30.000 Mädchen und Jungen unter härtesten Bedingungen diesen Mineralstoff. Im Juni 2022 veröffentlichte Terre des Hommes die Recherche „Hinter dem schönen Schein – Ausbeutung von Kindern beim Mica-Abbau in Indien“.
Nach der von Oxfam in Auftrag gegebenen und am 26. Februar 2013 veröffentlichten Studie Behind the Brands (über die Politik der zehn größten Lebensmittelkonzerne) bezieht der Konzern Unilever acht Prozent seiner Vanille für Eiscreme aus Madagaskar, wo ein Drittel aller Kinder zwischen zwölf und 17 Jahren in der Vanilleproduktion arbeite.
Laut einer am 18. März 2016 veröffentlichten Untersuchung der Christlichen Initiative Romero arbeiten über zwei Millionen Kinder im Kakao-Anbau in Westafrika. Wie Wissenschaftler der Universität Chicago im Oktober 2020 im Auftrag des US-Arbeitsministeriums ermittelten, arbeiteten in der Elfenbeinküste und in Ghana, den beiden wichtigsten Kakao produzierenden Ländern, seinerzeit 1,5 Millionen Kinder. Vgl. dazu auch Atlas der Versklavung. Daten und Fakten über Zwangsarbeit und Ausbeutung, Rosa-Luxemburg-Stiftung 2021, S. 28f.
Amnesty International hat die Arbeitsbedingungen auf Palmöl-Plantagen des Agrarkonzerns Wilmar, des weltweit größten Palmöl-Produzenten, in Indonesien untersucht. Für ihren am 30. November 2016 veröffentlichten Bericht „The great palm oil scandal. Labour abuses behind big brand names“ hat Amnesty International nach eigenen Angaben von 120 Arbeiterinnen und Arbeitern, die auf Palmplantagen von zwei Wilmar-Tochterunternehmen und drei Lieferanten des Unternehmens arbeiten, erfahren dass Kinder schwerste körperliche Arbeit verrichten, Arbeiter sich mit dem eingesetzten Pflanzenschutzmittel vergiften, Überstunden bei Androhung von Lohnkürzungen erzwungen werden, die Beschäftigen unter Mindestlohnniveau bezahlt werden und nicht zu erreichende Ziele erfüllen müssen.
LITERATUR:
- Georg Wimmer, Kinderarbeit – ein Tabu. Mythen, Fakten, Perspektiven, Mandelbaum Verlag, Wien 2015
- Robin Cavagnoud, Gewerkschaft der Kinder, in: Le Monde diplomatique vom 12. Mai 2016
- Karl Doemens, Comeback der Kinderarbeit. In den USA schuften immer mehr Jugendliche in Fabriken und Handwerksbetrieben. Ausgebeutet werden vor allem Migrantinnen und Migranten aus Lateinamerika, Frankfurter Rundschau vom 30. November 2023