Unzureichende bzw. überdimensionierte Wohnverhältnisse: Information: Unzureichende Wohnverhältnisse

Unzureichende Wohnverhältnisse

 

Wenn wir die ganze Menschheit auf ein Dorf von 100 Einwohnern reduzieren und auf die Proportionen aller bestehenden Völker achten würden, so hätten 80 Personen keine ausreichenden Wohnverhältnisse. (Quelle: Google-Stichwort: Wenn die Welt ein Dorf wäre)

Laut einer Schätzung der Weltbank lebten im Jahr 2010 rund 1,2 Milliarden Menschen in Slums. Das ist etwa jeder siebte Mensch weltweit, mehr als zweieinhalbmal so viel wie die Einwohnerinnen und Einwohner der EU. Die Vereinten Nationen sprechen von einem Slum, wenn eines der folgenden Kriterien nicht erfüllt ist: Zugang zu Sanitäranlagen und Trinkwasser, ausreichender Wohnraum, stabile Behausung und Schutz vor Vertreibung.

Nach Schätzungen von Unicef wachsen weltweit mittlerweile rund eine Milliarde Kinder und Jugendliche in Städten auf – das ist fast die Hälfte aller Kinder. Jedes Dritte von ihnen lebt in einem überbevölkerten Slum. Diese Kinder haben meist keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen, Elektrizität, Gesundheitsversorgung oder Schulen. Dies ist Ergebnis des Unicef-Berichts Zur Situation der Kinder in der Welt 2012.

WELTWEIT leben etwa 150 Millionen Kinder auf der Straße, schätzen die Vereinten Nationen. Genau Zahlen darüber fehlen. Die meisten Straßenkinder leben vermutlich in Indien: elf Millionen, Tendenz steigend. (Quellen: Unesco, Homelessworldcup, Childline India)
In einer Studie aus dem Jahr 2017 geht das Deutsche Jugendinstitut e.V. davon aus, dass in DEUTSCHLAND an die 300 Kinder unter 14 Jahren und geschätzte 6000 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren auf der Straße leben. Im Alter zwischen 18 und 20 Jahren kommen noch einmal über 12.000 junge Menschen dazu. Da das Alter des Großteils dieser jungen Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben, über 14 Jahren liegt. spricht man hierzulande allerdings eher von Straßenjugendlichen.

Im Winter 2015/2016 waren in New York 57.000 wohnsitzlose Menschen in den städtischen Unterkünften untergebracht, um die 4000 Menschen leben nach offiziellen Schätzungen auf der Straße, so viele wie seit den Zeiten der großen Depression in den 30er Jahren nicht mehr.

Im landesweiten Vergleich ist Los Angeles die „amerikanische Hauptstadt der Obdachlosen“ (Eric Garcetti, Oberbürgermeister von Los Angeles). Wie die Obdachlosenhilfe am 31.Mai 2017 mitteilte, leben in Los Angeles knapp 58.000 Menschen auf der Straße (23 Prozent mehr als 2016).

Laut einer Pressemitteilung des europäischen Parlaments vom 24. November 2020 ist die Zahl der Obdachlosen in der EU in den letzten zehn Jahren um mehr als 70 Prozent gestiegen. Über 700.000 Personen sind in Europa obdachlos.

In Großbritannien sind laut einem Bericht der britischen Obdachlosenorganisation Crisis derzeit (August 2017) schätzungsweise 236.000 Menschen, darunter 50.000 Kinder, von Obdachlosigkeit betroffen. Davon schlafen rund 9100 Menschen auf der Straße. Bis 2026 könnte sich diese Zahl auf 16.000 Menschen erhöhen. Als Hauptfaktoren für diese Entwicklung sieht die Organisation eine wachsende Armut sowie mangelnden erschwinglichen Wohnraum.

In Paris leben mehr als 3500 Obdachlose. Dies hat eine großangelegte Zählung durch Freiwillige ergeben, wie die Stadtverwaltung am 11. Februar 2020 mitteilte. Die Dunkelziffer dürfte nach Angaben von Hilfsorganisationen aber deutlich höher sein.

Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts vom 17. November 2022 lebten im Jahr 2021 rund 8,6 Millionen Menschen in DEUTSCHLAND, das heißt 10,5 Prozent der Bevölkerung, in überbelegten Wohnungen. Als überbelegt gilt eine Wohnung nach europäischer Definition, wenn darin mindestens einer der folgenden Räume nicht vorhanden ist: ein Gemeinschaftsraum, ein Raum pro Paar, das in dem Haushalt lebt, ein Raum für jede weitere Person ab 18 Jahren, ein Raum für zwei Kinder unter 12 Jahren, ein Raum für zwei Kinder desselben Geschlechts zwischen 12 und 17 Jahren, ein Raum je Kind zwischen 12 und 17 Jahren, wenn sie unterschiedlichen Geschlechts sind, ein zweiter Raum bei einem Ein-Personen-Haushalt.
Wie im April 2024 aus einer Antwort des Statistischen Bundesamtes auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (BSW) hervorging, hat sich die Wohnungsnot in Deutschland weiter verschärft. Danach leben jetzt mehr als 9,5 Millionen Menschen in überfüllten Wohnungen. Die Wohnungsnot betrifft damit bereits 11,3 Prozent der Bevölkerung, mehr als jeden Zehnten.

Die Bundesregierung hat am 8. Dezember 2022 erstmals einen Bericht über die Zahl und die Lage der wohnungslosen Menschen in Deutschland veröffentlicht. Danach waren am 31. Januar 2022 rund 263.000 Menschen wohnungslos. Knapp 40.000 Menschen lebten auf der Straße.

Laut einer von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), dem Dachverband der Dienste und Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfen in Deutschland, am 7. November 2023 vorgestellten Hochrechnung waren im Verlauf des Jahres 2022 607.000 Menschen wohnungslos. Davon lebten ca. 50.000 ganz ohne Unterkunft auf der Straße. Die Jahresgesamtzahl für 2021 lag bei 383.000 Wohnungslosen. Laut Werena Rosenke, Geschäftsführerin der BAGW, „ist und bleibt der fehlende bezahlbare Wohnraum der Hauptgrund für die Wohnungsnot in Deutschland. Deutsche wie nicht-deutsche Wohnungslose können daher nicht angemessen mit eigenem bedarfsgerechtem Wohnraum versorgt werden.“ Durch das sukzessive Auslaufen von Sozialbindungen bei gleichzeitig niedrigen Neubauraten sinkt der Anteil der verfügbaren Sozialwohnungen dramatisch – nach Berechnungen der BAGW seit 1989 um ca. 1.801.000 Wohnungen auf aktuell ca. 1.088.000 (ein Minus von 62,3 Prozent). Sie fehlen dauerhaft für eine soziale Wohnraumversorgung.

Laut der im April 2023 veröffentlichten Studie „Wohnen im Alter“ des Prestel Instituts fehlen in Deutschland 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen.

Laut einer am 16. Januar 2024 veröffentlichten Studie des Pestel-Instituts gab es im Jahr 2022 bundesweit nur noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen. 15 Jahre zuvor waren es noch rund zwei Milllionen. Mitglieder des Verbändebündnisses „Soziales Wohnen“ fordern in einer Mitteilung vom 16. Janur 2024, dass „jährlich mindestens 100.0000 neue soziale geförderte Wohnungen entstehen und zusätzlich 75.000 Bestandswohnungen, ggfls. auch ehemalige Sozialwohnungen, Preis- oder Belegungsbindungen erhalten“. Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung jährlich 100.000 Sozialwohnungen schaffen. Im Jahr 2023 seien allerdings nicht mehr als 30.000 neue Sozialwohnungen fertiggestellt worden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag vom Mai 2024 hervorgeht, gab es Ende 2023 bundesweit nur noch 1.072.266 Sozialwohnungen – 15.305 weniger als im Vorjahr und damit ein historischer Tiefstand.

Freiwillige haben in Berlin insgesamt 1976 Obdachlose gezählt, wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am 7. Februar 2020 erklärte. Die Dunkelziffer dürfte nach Angaben von Hilfsorganisationen aber deutlich höher sein.

Das Menschenrecht auf Wohnen, wie es im UN-Sozialpakt formuliert ist, zielt darauf ab, dass der Staat allen Menschen in seinem Land eine ange­messene Unterkunft ermöglicht. Das kann er zum Beispiel gewährleisten durch eine soziale Woh­nungsbaupolitik, den gesetzlichen Mieterschutz, Sozialleistungen oder auch durch die kurzfristige Notunterbringung. Die derzeitige Rechtsprechung in Deutschland hält für die ordnungs­rechtliche Unterbringung sehr einfache, minimale Wohn- und Versorgungsstandards für ausreichend. Dies kollidiert bei länger andauernder Unterbringung mit den menschenrechtlichen Anforderungen an angemessenes Wohnen, die auch für die ordnungsrechtliche Unterbringung wohnungsloser Menschen in Deutschland gelten. Minimalstandards sind somit grund- und menschenrechtlich nicht ausreichend.

Aus der Kurzfassung des zum 10. Dezember 2019 veröffentlichten Menschenrechtsberichts 2019 des Deutschen Instituts für Menschenrechte (ein Schwerpunkt war in jenem Jahr die Situation der Wohnungslosen)

In Deutschland geht die relative hohe Belastung der einkommensschwachen Haushalte durch Miete und Nebenkosten mit relativ bescheidenen Wohnverhältnissen Hand in Hand. Je niedriger das Haushaltsnetto, desto älter, kleiner und schlechter ausgestattet sind im Schnitt die Wohnungen. Das geht aus der im September 2017 veröffentlichten Untersuchung Wohnverhältnisse in Deutschland – eine Analyse der sozialen Lage in 77 Großstädten. Bericht aus dem Forschungsprojekt „Sozialer Wohnversorgungsbedarf“ der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Während Gutverdiener im Schnitt 52,5 Quadratmeter pro Person zur Verfügung haben, sind es in armutsgefährdeten Haushalten nicht einmal 37 Quadratmeter. Noch krasser fallen die Unterschiede zwischen dem untersten und dem obersten Zehntel der Einkommensverteilung aus: Erstere müssen mit 23 Quadratmetern pro Person auskommen, letztere erfreuen sich einer beinahe dreimal so großen Fläche von 65 Quadratmetern. Unter dem Strich haben 830.000 Haushalte weniger als 20 Quadratmeter pro Person zur Verfügung und leben laut Studie damit in prekären Wohnverhältnissen.

Das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat im Rahmen eines Wohnungsbauprogramms Werte für einen angemessenen Wohnraum definiert. Danach sollen die Individualräume (Schlafräume oder Kinderzimmer) für eine Person mindestens zehn Quadratmeter, für zwei Personen mindestens 14 Quadratmeter groß sein. Die Wohnfläche einer Eigentumswohnung für einen Zwei-Personen-Haushalt soll höchstens 75 Quadratmeter, die Wohnfläche eines Eigenheimes für einen Zwei-Personen-Haushalt höchstens 100 Quadratmeter betragen. Für jede weitere Person im Haushalt kann die Wohnfläche bis zu 15 Quadratmeter mehr betragen.

Wie das Statistische Bundesamt am 14. Januar 2019 mitteilte, lebten im Jahr 2017 sieben Prozent der Bevölkerung in Deutschland in einer überbelegten Wohnung, das heißt, der Haushalt verfügte über zu wenige Zimmer im Verhältnis zur Personenzahl. Vergleichsdaten der EU-Statistikbehörde Eurostat zeigen, dass in den Nachbarländern der Wohnraummangel im Jahr 2017 zum Teil noch deutlich größer war. So lebten zum Beispiel in Polen 41 Prozent der Bevölkerung in einer überbelegten Wohnung. In Österreich waren es 15 Prozent und in Frankreich acht Prozent der Bevölkerung. Im EU-Schnitt liegt die Überbelegungsquote bei 16 Prozent.

Wie aus Zahlen des Europäischen Statistikamts Eurostat hervorgeht, die von der Linken-Bundestagsfraktion ausgewertet wurden, lebten im Jahr 2017 in Deutschland 21,2 Prozent der Menschen mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in einer zu feuchten Wohnung. Bei Menschen mit höherem Einkommen waren es 10,8 Prozent.

Wie das Statistische Bundesamt am 28. November 2023 mitteilte, lebten 5,5 Millionen Menschen in Deutschland im Jahr 2022 in Haushalten, die nach eigener Einschätzung ihr Haus oder ihre Wohnung aus finanziellen Gründen nicht angemessen warmhalten konnten. Dies betraf rund 6,6 Prozent der Bevölkerung. Der Anteil habe sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt.

Wie das Statistische Bundesamt am 15. Juli 2024 mitteilte, waren nach den Meldungen von Kommunen und Einrichtungen zum Stichtag 31. Januar 2024 in Deutschland rund 439.500 Personen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht. Die Statistik erfasst Personen, denen zum Stichtag 31. Januar Räume oder Wohnungen überlassen oder Übernachtungsgelegenheiten zur Verfügung gestellt worden sind, ohne dass dies durch einen eigenen Mietvertrag, einen Pachtvertrag oder durch ein dingliches Recht abgesichert war..

Bei 12,8 Prozent der Mieterhaushalte in Deutschland – in Deutschland wohnt mehr als die Hälfte der Bevölkerung (50,5 Prozent) zur Miete – lag der Anteil des für Wohnkosten aufgewendeten verfügbaren Haushaltseinkommens bei mehr als 40 Prozent; diese Haushalte gelten als überbelastet.

 

Literatur:

  • Mike Davis, Planet der Slums. Aus dem Englischen von Ingrid Scherf, Verlag Assoziation A., Berlin/Hamburg 2007, Neuauflage 2011
  • Matthew Desmond, Zwangsgeräumt. Armut und Profit in der Stadt. Aus dem amerikanischen Englisch von Volker Zimmermann, Ullstein Verlag, Berlin 2018
  • Christoph Butterwegge, Wohnungleichheit im Finanzmarktkapitalismus, NachDenkSeiten 09.09.2020
  • Jürgen Malyssek, Klaus Störch, Wohnungslose Menschen. Ausgrenzung und Stigmatisierung, Lambertus-Verlag, Freiburg 2020 (2. Auflage)

Film:

  • „Push – Für das Grundrecht auf Wohnen“ (Regie: Fredrik Gertten); Kinostart: 6. Juni 2019

Weitere Medien:

  • Misereor-Ausstellung „Daheim auf 2 qm – Vom Leben im Käfig“

 


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