Vergiftung und Versalzung der Böden: Information

 

INFORMATION

 

Boden

Boden, das ist die oberste Schicht der Erdkruste, wissenschaftlich bezeichnet als Pedosphäre. Sie umfasst die wenigen Zentimeter bis einige Meter zwischen dem darunter liegenden Gestein (der Lithosphäre) und der Atmosphäre darüber. Als ein Gemenge von mineralischen Bestandteilen, Humus, Luft und Wasser beherbergt er unzählige Bodenlebewesen: Tiere, Pflanzen, Pilze und Bakterien. Nicht zuletzt lebt direkt oder indirekt der Mensch von Pflanzen und pflanzlichen Produkten. Der Boden versorgt die Wurzeln mit Nährstoffen, Luft und Wasser und gewährt ihnen die Möglichkeit zur Verankerung. Boden ist somit buchstäblich die Grund-Lage allen Lebens. Eine Handvoll humusreicher Walderde enthält mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt. Boden ist keine erneuerbare Ressource. Es dauert Hunderte von Jahren, bis sich einige Zentimeter bilden.

„Weltweit wird mehr als ein Drittel der Landmasse unserer Erde für die Landwirtschaft genutzt. Wertvolle Naturräume gehen durch Monokulturen, Düngemittel und Pestizide verloren. Doch überall auf der Welt gibt es Menschen, die Natur und Landwirtschaft in Einklang zu bringen versuchen.“ (Gute Nachrichten vom Planeten. Wie wir Landwirtschaft nachhaltiger machen)
„In Deutschland werden 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den Futtermittelanbau verwendet.“ (Bodenatlas 2024, S. 45)

Eine Lern- und Informationsplattform für Bodenschutz ist die Internetseite Bodenwelten des Bundesverbandes Boden.

„Daten und Fakten über eine lebenswichtige Ressource“ bietet der Bodenatlas 2024, ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und TMG – Think Tank for Sustainability, TMG Research gGmbH.

 

Pestizide

Als Pestizide (lateinisch pesitis: Seuche und caedere: töten) werden chemisch synthetisierte Pflanzenschutzmittel bezeichnet, die unerwünschte Organismen („Schädlinge“) beseitigen sollen. Je nachdem, ob sie vornehmlich gegen Unkraut, Insekten oder Pilze wirken, spricht man auch von Herbiziden, Insektiziden oder Fungiziden.

Durch die konventionelle Landwirtschaft gelangen in großem Umfang Pestizide in den Boden.Weltweit ist die Menge der eingesetzten Pestizide seit 1950 um das Fünfzigfache gestiegen. Während der ökologische Anbau weitestgehend ohne sie auskommt, werden in der konventionellen Landwirtschaft weltweit pro Jahr etwa vier Millionen Tonnen chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Der weltweite Umsatz lag 2018 bei 56,5 Milliarden Euro. Prognosen zufolge könnte er bis 2023 auf 82 Milliarden Euro steigen.“  China bringt etwa ein Drittel der globalen Pestizide aus. In Afrika sind es nur etwa zwei Prozent der weltweiten Menge. (Insektenatlas. Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft, 2020, S. 18f.; Hervorhebung: C.P.) Entscheidend ist allerdings nicht einfach die Menge, sondern die Toxizität der ausgebrachten Pestizide. Moderne hochwirksame Pestizide können trotz geringerer Dosierung das gleiche Gefährdungspotenzial aufweisen wie ältere Mittel in hoher Dosierung.

„2017 wurden etwa 80 Prozent mehr Pestizide angewendet als noch 1990. In manchen Weltregionen fällt der Anstieg sogar noch deutlicher aus. In Südamerika zum Beispiel beträgt er im gleichen Zeitraum fast 500 Prozent, während in Europa ein Rückgang von 3 Prozent zu verzeichnen ist.“ (Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft 2022, S. 19)

Laut Pestizidatlas 2022, S. 13, werden in Afrika mit durchschnittlich unter 0,4 Kilogramm pro Hektar Anbauland bislang am wenigsten Pestizide verwendet, weltweit liegt die Zahl bei etwa 2,6 Kilogramm pro Hektar. Hochgefährliche Pestizide (HHPs, Highly Hazardous Pesticides) machen rund ein Drittel der über 1000 Wirkstoffe aus, die weltweit verwendet werden. – Laut einer am 25. Juli 2024 im Fachmagazin „Frontiers in Cancer Control and Society“ veröffentlichten Studie sind die Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft bei einigen Krebsarten in ihrer Größenordnung mit den Auswirkungen des Rauchens vergleichbar.

Fast die Hälfte der weltweit in der Landwirtschaft Tätigen erleidet jedes Jahr eine Pestizidvergiftung, 11.000 Menschen sterben daran – Suizide nicht mitgezählt. Das sind 385 Millionen Menschen bzw. 44 Prozent der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung. Hinzu kommen zahlreiche pestizidbedingte Krankheiten und 150.000 Suizide. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die im Dezember 2020 im Magazin „BMC Public Health“ veröffentlicht wurde. Seit der letzten Schätzung 1990 haben Vergiftungsfälle damit stark zugenommen. (Vgl. Daniela Gschweng, Pestizidvergiftungen werden weltweit häufiger) Laut Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft 2022, S. 18, erkranken jährlich 385 Millionen Menschen weltweit an Pestizidvergiftungen, etwa 11.000 Menschen sterben Jahr für Jahr daran.

Die Epidemiologin Beate Ritz konnte anhand der in Kalifornien öffentlich zugänglichen Pestizid-Anwendungsdaten den Zusammenhang zwischen der Anwendung von Pestiziden und der Parkinson-Erkrankung belegen (Interview mit dem Umweltinstitut München e.V. vom 10. April 2024).

Laut einer am 30. Oktober 2023 im Fachmagazin „PNAS“ erschienenen Studie könnte die steigende Sojaproduktion in Brasilien dort zu einer erhöhten Krebssterblichkeit bei Kindern unter zehn Jahren geführt haben. Das Land habe sich zum weltweit führenden Verbraucher von hochgefährlichen Pestiziden und zum zweitgrößten Verbraucher aller Pestizide entwickelt, heißt es in der Studie. Besonders häufig werde Glyphosat eingesetzt.

Vier Chemiekonzerne aus dem Norden teilen sich inzwischen zwei Drittel des globalen Marktes (1994: 29 Prozent, 2009: 53 Prozent, 2018: 70 Prozent): Bayer aus Deutschland (Umsatz der Pestizidsparten in 2020: 18,8 Milliarden Euro), Syngenta aus der Schweiz, aber in chinesischem Besitz (9,9 Milliarden Euro), Corteva in den USA (5,7 Milliarden Euro) und BASF aus Deutschland (5,5 Milliarden Euro) (Pestizidatlas 2022, S. 10).

Laut einer Mitteilung des Umweltbundesamtes (UBA) vom 14. Januar 2022 lag der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland zwischen 1995 und 2005 bei etwa 30.000 Tonnen Wirkstoff. Seit 2006 liegt der Inlandsabsatz zwischen etwa 30.000 und 35.000 Tonnen Wirkstoff. Die Gruppe der ⁠Herbizide⁠ machte mit 50,6 Prozent den größten Anteil aus. Aus den Angaben über den Inlandsabsatz (Verkauf) von Pflanzenschutzmitteln könne allerdings nicht unmittelbar auf den Verbrauch je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche geschlossen werden, da die ausgebrachten Mengen je nach Art des Anbaus und der Fruchtfolge sowie den standörtlichen Bedingungen zum Teil erheblich variieren und die Präparate unter Umständen auch über mehrere Jahre hinweg gelagert werden. Die tatsächlich ausgebrachten Mengen an Pflanzenschutzmitteln wurden bisher nur stichprobenartig und in unregelmäßigen Abständen durch das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Julius Kühn-Institut (JKI), früher Biologische Bundesanstalt erfasst. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts ergibt sich für die deutsche Landwirtschaft ein durchschnittlicher jährlicher Einsatz von 8,8 Kilogramm Pflanzenschutzmitteln beziehungsweise 2,8 Kilogramm Wirkstoff je Hektar Anbaufläche (Berechnung für 2014 ohne inerte Gase, bei ca. 12,1 Millionen Hektar Ackerland und Dauerkulturen laut Statistischem Bundesamt).

Gewässerbelastung durch Pestizide: Im August 2023 ist die im Auftrag des Umweltbundesamtes erarbeite Studie „Belastung von kleinen Gewässern in der Agrarlandschaft mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen“ erschienen. Sie zeigt, dass die Pestizidbelastung von Kleingewässern dort besonders hoch ist, wo viele Pestizide auf den umliegenden Äckern eingesetzt werden.

Exporte von Pestiziden aus Ländern der Europäischen Union, die dort wegen inakzeptabler Risiken für Gesundheit und Umwelt verboten sind:

„Der Handel mit Pestiziden zählt zu den großen globalen Geschäften. Gleichzeitig werden Jahr für Jahr Millionen Menschen weltweit Opfer von Pestizidvergiftungen. Kontaminierte Gewässer, belastete Böden und tote Bienen zeigen, dass auch die Umwelt leidet. Eine besondere Gefahr für die Menschen und ihre Umwelt geht dabei von den HHPs, den hochgefährlichen Pestiziden aus“, so Lars Neumeister, unabhängiger Pestizidexperte und einer der Autor*innen des am 23. September 2019 veröffentlichten Reports „Giftige Exporte. Ausfuhr hochgefährlicher Pestizide aus Deutschland in die Welt“ von PAN Germany. Nach jüngsten offiziellen Daten wurden in 2017 insgesamt 233 unterschiedliche Pestizid-Wirkstoffe, zusammen 59.616 Tonnen Wirkstoffe, aus Deutschland in zahlreiche Länder der Welt exportiert. Ein Viertel der Wirkstoffe gilt als hochgefährlich. Darunter sind sogar solche Pestizide, die in Europa längst verboten sind, weil sie von den Behörden als zu gesundheitsgefährlich eingestuft wurden.

Wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung, das Inkota-Netzwerk und Misereor gemeinsam mit dem brasilianischen Netzwerk Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida und der südafrikanischen Organisation Khanyisa in einer im April 2020 veröffentlichten internationalen Studie dokumentieren, vertreiben die deutschen Agrarchemiegiganten Bayer und BASF in Südafrika und Brasilien unter eigenen Marken sowie in Produkten heimischer Hersteller eine Vielzahl von Pestizidwirkstoffen, die in der EU nicht genehmigt sind. Bei Bayer sind es in Südafrika mindestens sieben und bei BASF mindestens vier Wirkstoffe, auf die das zutrifft. In Brasilien vermarkten die beiden Agrarchemiekonzerne jeweils mindestens zwölf in der EU nicht genehmigte Wirkstoffe. Sieben der in beiden Ländern auf den Märkten befindlichen Wirkstoffe wurden in der EU aufgrund von ökologischen und gesundheitlichen Gefahren explizit verboten.

Wie aus einer Studie hervorgeht, die die Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye zusammen mit Unearthed, der Rechercheeinheit von Greenpeace Großbritannien, am 10. September 2020 veröffentlicht hat, haben die Mitgliedstaaten der EU im Jahr 2018 den Export von 81.615 Tonnen an Pestiziden bewilligt, deren Nutzung auf den eigenen Feldern wegen inakzeptabler Gesundheits- und Umweltrisiken untersagt ist. 90 Prozent davon kommen aus Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien. Drei Viertel diese Exporte war für Entwicklungs- und Schwellenländer bestimmt, in denen weniger strenge Anwendungsregeln gelten und der Schutz von Bauern und Landarbeiten schwierig durchzusetzen ist.

Laut der im Dezember 2022 von der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS), dem INKOTA-Netzwerk, dem Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) und der Rosa Luxemburg Stiftung (RLS) vorgelegten Analyse unter dem Titel „Export von hochgefährlichen Pestizidwirkstoffen aus Deutschland. Warum ein Exportverbot für in der EU verbotene Pestizide neben fertigen Pestizidprodukten auch reine Wirkstoffe umfassen musswurden im Jahr 2020 insgesamt 48 verschiedene, in der EU verbotene, Pestizidwirkstoffe in fertigen Produkten im Umfang von rund 8260 Tonnen aus Deutschland exportiert. Gleichzeitig wurden 2020 20.298 Tonnen und 2021 sogar 37.525 Tonnen verbotene Pestizide als reine Wirkstoffe exportiert. Es handelt sich dabei um Wirkstoffe, die in der EU nicht genehmigt sind, weil sie entweder explizit gesundheits- oder umweltschädlich sind oder weil den für die Genehmigung zuständigen Behörden keine ausreichenden Informationen zu deren Risikobewertung vorlagen.

Laut einer Pressemitteilung des BMEL vom 12. September 2022 wurden im Jahr 2021 aus Deutschland 8.525 Tonnen Pestizidprodukte mit hochgefährlichen, in der EU verbotenen Wirkstoffen exportiert, vor allem nach Lateinamerika, Indien und Südostasien (vgl. auch Bodenatlas 2024, S. 20).

In einem am 20. Februar 2020 veröffentlichten Report konnte die Schweizer Nichtregierungsorganisation Publiceye zeigen, dass die fünf größten Hersteller, BASF, Bayer Crop Science, der US-Konzerne Corteva Agriscience und FMC sowie der schweizerischen Syngenta, im Jahr 2018 rund 35 Prozent ihrer weltweiten Erlöse mit sogenannten hochgefährlichen Pestiziden (HHPs) machten. Vier Prozent ihrer Umsätze erzielten sie mit Pestiziden, die sogar als akut toxisch gelten. Pestizide dieser Klasse verursachen jedes Jahr rund 25 Millionen Vergiftungen, davon enden etwa 220.000 tödlich. In Ländern mit mittleren oder niedrigen Einkommen lag der Anteil von hochgefährlichen Pestiziden am Umsatz sogar weitaus höher: bei 54 Prozent. Die wichtigsten Märkte der Unternehmen sind demnach Länder, in denen Anwendungsvorschriften oft schwächer und die Gefahr von Umweltkontaminationen und Vergiftungen durch Pestizide vielfach höher sind als beispielsweise in Deutschland.

Wie die Schweizer Transparenz-Organisation „Public Eye“ und die Greenpeace-Rechercheabteilung „Unearthed“ am 18. November 2021 mitteilen, führen europäische Firmen nicht nur große Mengen an in Europa verbotenen Fungiziden ins Ausland aus, sondern auch Insektenvernichtungsmittel, die auf Neonicotinoide als Wirkstoff basieren und in Staaten der EU gebannt sind. Allein in den letzten vier Monaten des vergangenen Jahres hätten Chemie-Unternehmen – allen voran Syngenta in Basel und Bayer in Leverkusen – 3900 Tonnen derartiger Insektizide exportiert, die außer Schädlingen auch wichtige Bestäuber wie Bienen töten. Die 1998 von 72 Staaten unterzeichnete „Rotterdam Konvention“ verpflichtet Produzenten von Substanzen, die im Herstellungsland verboten sind, deren Ausfuhr den Behörden zu melden. Unter Verweis auf Informationsfreiheit erwirkten Public Eye und Unearthed die Freigabe der Ausfuhrdaten von der EU.

Wie die bislang umfassendste bundesweit durchgeführte Studie zur Pestizid-Belastung der Luft belegt, die das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München in Auftrag gegeben haben und die am 29. September 2020 in Berlin veröffentlicht worden ist, verbreiten sich Pestizide in ganz Deutschland kilometerweit durch die Luft. An rund drei Viertel der 163 untersuchten Standorte wurden jeweils mindestens fünf und bis zu 34 Pestizidwirkstoffe sowie deren Abbauprodukte gefunden. Insgesamt fanden sich deutschlandweit 138 Stoffe, von denen 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen waren. Vgl. dazu auch Pestizidatlas 2022, S. 30f.

Glyphosat ist das mit Abstand meistverwendete Pflanzengift der Welt und es ist weiter auf dem Vormarsch: 2005 wurden 402.000 Tonen der Substanz auf den Äckern der Erde ausgebracht, 2014 waren es bereits 826.000 Tonnen. Im Jahr 2017 wurden weltweit erstmals mehr als eine Million Tonnen Glyphosat hergestellt. Laut Pestizidatlas stieg der Glyphosatverbrauch weltweit von 51.000 Tonnen im Jahr 1995 auf 747.000 Tonnen im Jahr 2014, also fast um das Fünfzehnfache an (Pestizidatlas 2022, S. 33). Laut EU-Pflanzenschutzverordnung ist Glyphosat in Europa noch bis Ende 2022 erlaubt; später ist die Frist um ein Jahr verlängert worden. Nach Angaben des Umweltinstituts wurden im Jahr 2020 in Deutschland ca. 3800 Tonnen Glyphosat verkauft. Laut dem Umweltbundesamt wird Glyphosat in Deutschland auf fast 40 Prozent der Felder eingesetzt (Pestizidatlas 2022, S. 22). Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) – eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – stufte Glyphosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen“ ein.

Zur Macht der Pestizidkonzerne und Agrarindustrie: Die Europäische Kommission wollte den Einsatz von Pestiziden bis 2030 um 50 Prozent verringern. Die Halbierung war Teil der EU-Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, der „Sustainable Use Regulation“ (SUR). In besonders empfindlichen Gebieten wie städtischen Parks, an Schulen und in Natura-2000-Gebieten soll der Einsatz von Pestiziden vollständig verboten werden. Die EU-Kommission hatte Mitte 2022 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelgt. Am 22. November 2023 stimmte das Europaparlament gegen das bereits vor dieser endgültigen Abstimmung stark abgeschwächte Gesetz der EU-Kommission und lehnte mit knapper Mehrheit weitere Verhandlungen ab. „Investigative Untersuchungen zeigten, dass sich Vertreter*innen von Pestizidkonzernen ebenso wie Verbände der Agrarindustrie zwischen Januar 2020 und Juli 2023 insgesamt mehr als 400-mal mit zentralen konservativen EU-Parlamentarier*innen getroffen haben. Damit hat die Industrie dazu beigetragen, dass die SUR im November 2023 im EU-Parlament gescheitert ist. Die Pläne, EU-weit den Einsatz giftiger Agrarchemikalien einzuschränken, sind damit erst einmal vom Tisch.“ (Bodenatlas 2024, S. 20)

In Europa kommen im Kernobstanbau mehr Pestizide zum Einsatz als bei jeder anderen Form von Landwirtschaft. In Südtirol befindet sich das größte zusammenhängende Apfelanbaugebiet Europas (vgl. dazu die u.a. Bücher und den Film von Alexander Schiebel).

Die Schweizer Menschenrechtsorganisation Public Eye informiert über den Einsatz von Pestiziden.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an das im Jahr 1962 erschienene, Aufsehen erregende Buch „The Silent Spring“ (Der stumme Frühling) von Rachel Carson; es thematisiert die Auswirkungen eines rigorosen Pestizid-Einsatzes auf die Ökosysteme und gilt als Ausgangspunkt der modernen Umweltbewegung.

 

Antibiotika

Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben herausgefunden, dass Antibiotika, die in der Tierhaltung eingesetzt werden und über Gülle in die Umwelt gelangen, die Zusammensetzung von Bakterien in Böden beeinflussen. Schon nach dreimaligem Ausbringen kontaminierter Gülle gingen nützliche Bodenbakterien deutlich zurück; gleichzeitig nähmen Mikroorganismen zu, die Menschen schaden können.

 

Stickstoffdünger

Ein großes Problem ist der weltweite Einsatz von Stickstoffdünger: Nur etwa 40 Prozent des heute weltweit durch Kunstdünger in die Natur eingebrachten Stickstoffs werden von Nutzpflanzen tatsächlich aufgenommen. Der Rest landet in der Umwelt – im Wasser, in der Atmosphäre oder im Boden. „Die globale Produktion von Nutzpflanzen hat sich während der vergangenen 50 Jahre verdreifacht. In diesem Zeitraum ist der Einsatz von Stickstoffdünger auf das Zehnfache angestiegen.“ (Insektenatlas 2020, S. 26)

 

Versalzung

Jeden Tag gehen auf der Welt 2000 Hektar fruchtbares Land durch Versalzung verloren. Das berichtet eine internationale Forschergruppe 2014 im Natural Resources Forum, einer Publikation der Vereinten Nationen. In 75 Ländern der Erde führt die Bewässerung von trockenem und halbtrockenem Land demnach zur Ansammlung von Salz im Boden und damit langfristig zu einem Verlust der Fruchtbarkeit. Bereits heute seien 20 Prozent der bewässerten landwirtschaftlichen Fläche auf der Welt betroffen. Diese Fläche wuchs von 45 Millionen Hektar Anfang der 1990er Jahre auf 62 Millionen Hektar derzeit an. Dies entspricht etwa der Landfläche von Frankreich.

 

Kunststoffe

Bayreuther Forscher wiesen nach, dass Äcker in Deutschland mit Mikroplastik belastet sind. Sie berichteten darüber am 18. Dezember 2018 in der Zeitschrift Scientific Reports.

Laut einer am 7. Mai 2021 veröffentlichten Studie „Kunststoffe in der Umwelt: Emissionen in landwirtschaftlich genutzte Böden“, mit der der NABU das Fraunhofer UMSICHT und Ökopol beauftragt hat, werden jährlich schätzungsweise 13.256 Tonnen Kunststoffe durch landwirtschaftliche Aktivitäten in die Umwelt freigesetzt. Hinzu kommen 5.800 Tonnen Plastikabfall, der auf landwirtschaftlich genutzte Böden geweht wird.

 

Literatur

  • Von ganz unten. Warum wir unsere Böden besser schützen müssen, herausgegeben von Gerd Wessolek, Oekom Verlag, München 2015
  • Alexander Schiebel, Das Wunder von Mals. Wie ein Dorf der Agrarindustrie die Stirn bietet. Eine Anleitung zum Widerstand, Oekom-Verlag, München 2017
  • Johann G. Zaller, Unser täglich Gift. Pestizide – die unterschätzte Gefahr, Carl Hanser Verlag, München 2018
  • André Leu, Die Pestizidlüge. Wie die Industrie die Gesundheit unserer Kinder aufs Spiel setzt, Oekom Verlag, München 2018
  • Florian Schwinn, Rettet den Boden! Warum wir um das Leben unter unseren Füßen kämpfen müssen, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2019
  • Ina Sperl, Der Boden. Das verborgene Universum zu unseren Füßen, Verlag Gräfe und Unzer, München 2019
  • Das Gift und wir. Wie der Tod über die Äcker kam und wie wir das Leben zurückbringen können, herausgegeben von Mathias Forster und Christopher Schümann, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2020
  • Pestizidatlas. Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft, 2022
  • Bodenatlas 2024. Daten und Fakten über eine lebensichtige Ressource 2024
  • Alexander Schiebel, Gift und Wahrheit. Wie Konzerne und Politik ihre Macht missbrauchen, um Umweltaktivist:innen mundtot zu machen, Oekom-Verlag, München 2023

Film

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  • Monsanto, mit Gift und Genen, Dokumentarfilm von Marie-Monique Robin (Frankreich 2007)
  • Roundup, der Prozess, Dokumentarfilm von Marie-Monique Robin (Frankreich 2017)
  • Das Wunder von Mals. Ein Film von Alexander Schiebel (Deutschland, 2018)
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